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Kartell. Die EU-Wettbewerbshüter bestrafen große Lkw-Hersteller mit einer Rekord-Geldbuße

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Update

Unerlaubte Preisabsprachen: EU verhängt Milliardenstrafe für Lkw-Hersteller

Rekord-Geldbuße für die großen Lkw-Konzerne: Die EU-Kommission rügt unerlaubte Preisabsprachen mit einer Strafe in Höhe von 2,93 Milliarden Euro. Besonders hart trifft es Daimler.

Sie trafen sich am Rande von Branchenmessen, auf höchster Führungsebene, 14 Jahre lang. Es ging darum, Verkaufspreise für Lkw untereinander abzusprechen – illegal und zulasten der Käufer. Auf diese wälzten die marktführenden Hersteller auch höhere Kosten für die Abgasreinigung und niedrigere Verbrauchswerte ab. Ein Kartell, das aufflog, weil ein Beteiligter mit den Behörden über die Machenschaften plauderte: MAN. Selbst in einen Korruptionsskandal verstrickt, ließ die VW-Tochter das Kartell mit einer Selbstanzeige platzen.

Die vier anderen Beteiligten – Daimler, Volvo/Renault, Iveco und DAF – wurden am Dienstag hart bestraft: Die EU-Kommission, die seit 2011 ermittelt hatte, verhängte ein Bußgeld von fast drei Milliarden Euro. Die höchste Einzelstrafe entfällt mit rund einer Milliarde Euro auf Daimler. MAN ging als Kronzeuge straffrei aus. Gegen den ebenfalls zu VW gehörenden Hersteller Scania läuft noch ein Verfahren.

MAN wurde eine Strafe von 1,2 Milliarden Euro erlassen

Kartelle hätten in Europa keinen Platz, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die auf die große wirtschaftliche Bedeutung des Lkw-Verkehrs verwies. „Daher kann nicht hingenommen werden, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF, die zusammen etwa neun von zehn der in Europa produzierten mittelschweren und schweren Lkw stellen, untereinander ein Kartell bilden, anstatt miteinander zu konkurrieren“, sagte die Kommissarin. Zum Straferlass für MAN in Höhe von 1,2 Milliarden Euro sagte Vestager: „Wenn man die anderen verpfeift, bekommt man seine gesamte Geldbuße erlassen. In diesem Fall ist das eine ganze Menge. 1,2 Milliarden Euro würden für die meisten Menschen am Monatsende ins Gewicht fallen.“ Erst in der vergangenen Woche hatten die EU-Kartellwächter ihr Vorgehen gegen Google verschärft. Sie werfen dem Internet-Konzern unfairen Wettbewerb mit Suchmaschinenwerbung vor. Die bisher höchste Kartellstrafe von 1,4 Milliarden Euro verhängte die Kommission 2012 gegen die Hersteller von Bildröhren für TV-Geräte und Computermonitore.

Die Lkw-Bauer müssen nun mehr als doppelt so viel zahlen. Daimler erklärte, der Konzern habe für die Strafe bereits entsprechende Rückstellungen in seiner Bilanz gebildet. Das Unternehmen bedauere den Verstoß und habe schon vor längerer Zeit Konsequenzen daraus gezogen. So habe der Konzern seine internen Kontrollen gestärkt und schule seine Mitarbeiter regelmäßig zu Fragen des Kartell- und Wettbewerbsrechts.

Volvo/Renault müssen 670 Millionen Euro zahlen

Auch Volvo hatte bereits ein Finanzpolster gebildet. Im Gegensatz dazu hat MAN kein Geld zur Seite gelegt. MAN war einige Jahre zuvor durch eine Korruptionsaffäre erschüttert worden, woraufhin fast der gesamte Vorstand einschließlich Konzernchef Hakan Samuelsson den Hut nehmen musste. Damals wurden die internen Regeln guter Führung verschärft. In diesem Zusammenhang soll MAN Insidern zufolge damals die EU eingeschaltet haben. Das Unternehmen dulde keine unlauteren Geschäftspraktiken oder gesetzes- beziehungsweise regelwidriges Verhalten, teilte MAN mit.

Der US-Produzent Paccar, dessen Lkw unter der Marke DAF fahren, erhielt eine Strafe von rund 753 Millionen Euro. Der schwedische Hersteller Volvo und der französische Konzern Renault, die beim Lkw-Bau zusammenarbeiten, müssen insgesamt rund 670 Millionen Euro zahlen. Der italienische Konzern CNH mit seiner Lkw-Marke Iveco muss mit rund 495 Millionen Euro geradestehen. Die Geldbußen aus Brüssel wurden jeweils um zehn Prozent reduziert, weil sich die Firmen an dem Vergleich beteiligten und zur Aufklärung beitrugen.

Anwalt: Gesamtschaden von 100 Milliarden Euro

Christopher Rother, der die Berliner Niederlassung der US-Kanzlei Hausfeld leitet und geschädigte Lkw-Fuhrparkunternehmer vertritt, schätzt den in 14 Kartell-Jahren entstandenen Gesamtschaden auf 100 Milliarden Euro. „Wir gehen von 600 000 Geschädigten aus und einem Schaden von durchschnittlich 12 000 Euro pro Fahrzeug“, sagte Rother dem „Tagesspiegel“. Der Volkswagen-Konzern, gegen den Hausfeld in der Diesel- Affäre vorgeht, sei mit gleich zwei Marken – MAN und Scania – an dem Kartell beteiligt gewesen, sagte Rother. mit rtr

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