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Wirtschaft: Ungleiche Mitglieder

Die Europäische Union hat die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als eine ihrer „vier Freiheiten“ verankert. Doch wenn man aus einem der osteuropäischen Staaten kommt, die der EU im kommenden Jahr beitreten sollen, dann muss man warten.

Die Europäische Union hat die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als eine ihrer „vier Freiheiten“ verankert. Doch wenn man aus einem der osteuropäischen Staaten kommt, die der EU im kommenden Jahr beitreten sollen, dann muss man warten. Aus Furcht vor einem Zustrom ausländischer Arbeitskräfte auf die heimischen Märkte bestehen Frankreich, Deutschland und Österreich auf einer siebenjährigen Übergangsfrist, bevor den neuen Mitgliedsstaaten volle Personenfreizügigkeit gewährt wird.

Die Paranoia ist unbegründet. Rutger Wissals, der EUKommissar, der die Verhandlungen mit Tschechien führte, sagte dem Prague Business Journal, dass Frankreich beim EU-Beitritt Spaniens und Portugals eine ähnliche Restriktion verhängt habe. Doch es gab keine Flut billiger Arbeitskräfte aus diesen Märkten. Genau das Gegenteil war der Fall. Viele spanische und portugiesische Gastarbeiter entschlossen sich zur Rückkehr in die Heimat, da die Arbeitsbedingungen sich verbessert hatten. Ein tschechischer Minister verwies bereits auf die Ironie, dass derzeit mehr Deutsche legal in Tschechien arbeiteten als Tschechen in Deutschland. Er forderte die tschechische Regierung auf, sich zu revanchieren und Beschränkungen für deutsche und österreichische Arbeitskräfte zu verhängen. Auch wenn der Vorschlag im tschechischen Kabinett bislang keine Zustimmung gefunden hat, ist er ein Zeichen für den Preis, den der französisch-deutsche Block für seine Unnachgiebigkeit zahlen könnte. Dabei hat die EU durch die Personenfreizügigkeit viel zu gewinnen. Das alternde Westeuropa, wo im Jahr 2050 Prognosen zufolge 35,6 Prozent der Bevölkerung älter als 60 Jahre sein werden, wird Arbeitskräfte aus dem jüngeren Osten brauchen.

Allgemeiner betrachtet, lässt sich schwer erkennen, wie die vollständigen wirtschaftlichen Vorteile eines gemeinsamen europäischen Marktes genutzt werden können, solange nicht alle Mitglieder dieses Marktes nach denselben Regeln spielen. Doch der wesentlichere Punkt ist die Fairness. Zu den Hauptvorteilen einer EU-Mitgliedschaft zählt das Recht, das bestmögliche Leben frei zu wählen, wo auch immer in der EU man es findet. Wir sehen keinen Grund, warum dieses Recht für manche gleicher sein soll als für andere.

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