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Wirtschaft: Union sucht Kompromiss für die Bahn

Der Bundestag wird sich noch einmal mit der Privatisierung befassen – die Konzernstruktur soll bleiben

Berlin - Die Koalition versucht, das Scheitern des Bahn-Börsengangs noch abzuwenden. Vor dem letzten entscheidenden Treffen am kommenden Mittwoch will die Union anregen, die noch strittigen Punkte mit der SPD erst einmal zu vertagen. „Das könnte man ja später noch im Gesetzgebungsprozess klären“, sagte ein führender CDU-Mann dem Tagesspiegel am Sonntag.

Das Kalkül: Würde die Koalition jetzt in die Bahn-Privatisierung einsteigen, wäre der Winter fast vorüber, ehe ein Gesetz ins Parlament kommt. Bis dahin hätten beide Parteien genügend Zeit, sich doch noch zu einigen – und das peinliche Aus des Projekts zu verhindern, das als wichtigstes verkehrspolitisches Vorhaben der Wahlperiode gilt.

Strittig ist bislang, ob die Bahn mitsamt dem 34 000 Kilometer langen Schienennetz an die Börse gehen darf, oder ob es Eigentum des Staates bleibt. Die Union will, dass der Staat die Gleise lediglich an die Bahn ausleiht. Die SPD strebt dagegen an, dass der Konzern das wirtschaftliche Eigentum an der Infrastruktur erhält – und der Bund nur das juristische.

„Wir sind uns in vielen grundlegenden Punkten einig – es wäre besser, die erst einmal festzuhalten, anstatt dauernd über die Differenzen zwischen uns zu reden“, heißt es bei CDU und CSU. Ein Bundestagsantrag, der dieser Zeitung vorliegt, entscheidet sich weder für die Unions- noch für die SPD-Vorstellungen eindeutig. Erklärt wird darin, die Infrastruktur müsse auf Dauer „im Eigentum des Bundes stehen“. Die Bahn solle „bis auf Weiteres Bewirtschaftung und Betriebsführung des Netzes wahrnehmen“ und die „unternehmerische Verantwortung“ haben. Außerdem bekommt der Staatskonzern „die wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung“ der Infrastruktur. Das Eigentum an Gleisen und Bahnhöfen solle eine Infrastruktureigentumsgesellschaft übernehmen. Diese, so der Unions-Antrag weiter, soll auch aufpassen, dass die Bahn die Schienen nicht verkommen lässt. Weiterhin versichern die Autoren der Bahn, der Konzernverbund bleibe erhalten – damit könnte die Jobsicherung für die Beschäftigten bis 2010 fortgeführt werden.

Wahrscheinlich wird die Bahn auch Thema im Koalitionsausschuss an diesem Montag. Der Unions-Antrag könnte den Partei- und Fraktionschefs helfen, vorerst einen Formelkompromiss zu finden – bis ein Ausweg aus der momentan zerfahrenen Lage gefunden ist.

Überwinden müssen die Koalitionäre zuvor noch den Widerstand derer, die eine Privatisierung rundheraus ablehnen. „Niemand in der Bundesregierung soll glauben, dass die Entscheidung gegen die Fraktionen getroffen werden kann“, sagte der SPD-Verkehrsexperte Peter Danckert dieser Zeitung. In der SPD-Fraktion gibt es ihm zufolge eine deutliche Mehrheit gegen den Teilverkauf der Bahn. „Niemand kann sagen, welche Vorteile eine Privatisierung bringen soll“, beklagt Danckert.

Sollte die Privatisierung doch scheitern, hätte die Bahn ein massives Problem. Sie hat in den vergangenen Jahren viel Geld in neue Züge investiert und Firmen zugekauft – mittlerweile ist sie der zweitgrößte Logistikkonzern der Welt. Mit dieser Strategie hat der Bahn-Vorstand um Hartmut Mehdorn einen Schuldenberg von gut 20 Milliarden Euro angehäuft. Im zersplitterten Logistikmarkt muss aber weiter zukaufen, wer an der Spitze bleiben will. Aber noch mehr Schulden kann die Bahn kaum aufnehmen, deshalb ist sie auf frisches Geld angewiesen. Von einer Abtrennung der wertvollen Gütersparte Schenker als Alternative zum Börsengang raten Fachleute indes ab. „Wenn sich die Bahn nicht international aufstellt, wird sie im Wettbewerb zerrieben“, sagt Jürgen Siegmann, Eisenbahnexperte von der TU Berlin und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats im Verkehrsministerium. Er fordert, der Eigentümer Bund müsse einspringen, wenn aus dem Börsengang nichts wird. „Der Bund muss sich entscheiden, was er mit der Bahn will. Wenn er das Unternehmen weiterentwickeln will, muss er ihm mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen.“

Die Gewerkschaft Transnet forderte angesichts der verfahrenen politischen Debatte am Samstag Klarheit über einen Börsengang der Deutschen Bahn. „In der Koalitionsvereinbarung steht, dass das ,Ob‘ einer Kapitalbeteiligung zwischen den Parteien entschieden sei und es nur noch um das ,Wie‘ ginge“, sagte Transnet-Chef Norbert Hansen der dpa. „Ich weiß nicht, ob man jetzt die Vereinbarung an dieser Stelle ändern will.“ Eine „Abmoderation des Börsengangs“ sei nur akzeptabel, wenn der Bund seine Verantwortung als Eigentümer wahrnehme und die Eigenkapitalausstattung des Konzerns anderweitig verbessere, damit er expansionsfähig bleibe. Davon hingen tausende Arbeitsplätze ab.

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