zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Unmut der Arbeitgeber über BDI-Chef Henkel wächst

Spitzenverband: Abweichung von Tarifverträgen in den meisten Fällen rechtens / Warnung vor "Systemänderung" BONN (wei).Im Arbeitgeberlager wächst der Unmut über den Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel.

Spitzenverband: Abweichung von Tarifverträgen in den meisten Fällen rechtens / Warnung vor "Systemänderung"

BONN (wei).Im Arbeitgeberlager wächst der Unmut über den Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel.Seine Behauptung, in den neuen Bundesländern würden Tarifverträge massenhaft gebrochen, stößt in der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) auf Unverständnis und Kritik."Wir sind sauer über die Vertragsbruchdiskussion", sagen die Funktionäre der BDA.Abweichungen von den gut 50 000 geltenden Tarifverträgen sind nach ihrer Darstellung in der Regel rechtens.Sie beruhten auf den vereinbarten Öffnungsklauseln und Korridoren oder fänden in einer arbeitsrechtlichen "Grauzone" statt.Immer mehr Tarifverträge machten den Betrieben keine festen Vorgaben mehr, sondern sähen Korridore für Löhne oder Arbeitszeiten vor.Hier hätten Betriebsrat und Management die Möglichkeit, zu einzelbetrieblichen Regelungen zu kommen.Häufiger als früher würden Arbeitgeber und Gewerkschaften auch Öffnungsklauseln vereinbaren, nach denen die Betriebe unter bestimmten Umständen vom Tarifvertrag abweichen dürften.Möglich sei das aber auch dann, wenn Regelungen dafür nicht zwischen den Tarifpartnern vereinbart wurden. In der BDA verweist man in diesem Zusammenhang auf das "Günstigkeitsprinzip" des Arbeitsrechts.Danach kommt im Zweifelsfall immer die für einen Arbeitnehmer bessere Regelung zur Anwendung.Ein Tariflohn von 18 DM wäre danach "günstiger" als 15 DM nach einer Vereinbarung im Betrieb.Dieser Grundsatz müsse vor dem Hintergrund von 4,5 Millionen Arbeitslosen aber anders gesehen werden, wenn der Betrieb mit Lohnkosten von 18 DM pleite geht und die Arbeitsplätze verloren sind.Diese Interpretation ist zwar umstritten, aber: "Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter." Weil es sich um freiwillige Vereinbarungen handele, seien Urteile darüber kaum zu erwarten.Von einem Vertragsbruch könne auch in diesen Fällen nicht gesprochen werden.Gegen den massenhaften Bruch von Tarifverträgen spreche schließlich, daß viele Unternehmen und noch mehr Arbeitnehmer nicht in Verbänden oder Gewerkschaften organisiert sind.Ein Tarifbruch sei aber nur dann möglich, wenn das betreffende Unternehmen tarifgebunden und der Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft ist. Besonders in Ostdeutschland sei es deshalb besonders schwierig, einen Tarifvertrag zu brechen.Angesichts dieser Lage sei die Ermunterung Henkels, sich nicht länger um Tarifverträge zu scheren, unverständlich.Sie verunsichere die Unternehmen und die Betriebräte, die nicht daran dächten, einen Rechtsbruch zu begehen.In den Unternehmen zögere man zusehends, von den Öffnungsklauseln Gebrauch zu machen oder das Günstigkeitsprinzip großzügig zu interpretieren. In der BDA wendet man sich auch gegen eine Änderung des Paragraph 77,3 Betriebsverfassungsgesetz.Danach dürfen nur Arbeitgeber und Gewerkschaften Tarifverträge abschließen.Mehr Flexibilität auf betrieblicher Ebene sei auch das Ziel der BDA.Mehr Zuständigkeiten für die Betriebsräte brächten aber Nachteile mit sich.Ihre Aufwertung werde nicht ohne eine Ausweitung der Mitbestimmung in den Unternehmen abgehen und das Recht, Tarifverträge abzuschließen, bringe auch das Streikrecht in die Betriebe.Am Ende werde das Lohnniveau höher liegen als mit Flächentarifverträgen.Als Alternative empfiehlt die BDA die Fortsetzung ihres Reformkurses.Er zielt darauf ab, den betrieblichen Handlungsspielraum durch Einzelregelungen zu erweitern.Das notwendige Vertrauen für eine solche "Machtverschiebung" werde durch "Schlagzeilen und Interviews" aber zerstört.Der Spitzenverband der Arbeitgeber warnt vor einer "Systemveränderung".Die richtige Balance zwischen den Betrieben und den Tarifverbänden sei sicher noch nicht erreicht, man sei allerdings auch darauf vorbereitet, daß der Reformprozeß zum Stillstand kommt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false