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Wirtschaft: „Unser Filialnetz bleibt erhalten“

Postchef Zumwinkel über die Zeit nach der Liberalisierung des Briefmarkts, einen möglichen neuen Beschäftigungspakt und das internationale Geschäft

Herr Zumwinkel, einige Kommunen haben Sie gerade erst wieder für die Schließung von Filialen kritisiert. Wie viele bleiben es denn nun?

Wir haben eine klare Gesetzeslage in Deutschland. Es müssen mindestens 12000 Filialen sein. Außerdem ist viel mehr präzise festgelegt, zum Beispiel wie weit der Weg bis zu einer Filiale sein darf. Alle Vorgaben halten wir ein.

Die Post hatte aber auch schon einmal deutlich mehr als 12000 Filialen.

Ja, vor einiger Zeit waren es noch 13000. Jetzt sind wir runter auf rund 12500. Man darf das aber alles nicht statisch sehen. Gibt es ein Neubaugebiet, dann wird dort auch eine neue Postfiliale aufgemacht. Kommen woanders nur noch drei Kunden am Tag, dann müssen wir über eine Schließung oder Zusammenlegung nachdenken. Insgesamt werden wir aber bei gut 12000 Filialen bleiben und unsere zusätzliche Selbstverpflichtung zu den Standorten natürlich einhalten.

2008 dürfte der deutsche Briefmarkt liberalisiert sein und der Konkurrenzdruck wachsen. Gilt ihre Aussage auch für diese Zeit?

Ich gehe davon aus, dass das Filialnetz nach 2008 etwa in der heutigen Größe erhalten bleiben wird. Das hängt aber natürlich auch von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab.

Erwarten Sie Änderungen bei der Postpolitik, wenn es im Herbst einen Regierungswechsel geben sollte?

Die deutsche Postpolitik ist seit etlichen Jahren von Konsens und Langfristigkeit geprägt. Bis auf Feinheiten haben die großen Parteien die Grundzüge der Postreform immer zusammen getragen. Unabhängig von der Tagespolitik erwarte ich da keine Änderungen.

Das unionsgeführte Hessen ist für das Vorziehen der Marktliberalisierung, Ministerpräsident Koch dürfte nach einem Regierungswechsel keine unbedeutende Rolle spielen. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Nein, denn andere unionsgeführte Ländern haben Hessen im Bundesrat nicht unterstützt.

Kritik an der Post gab es zuletzt wegen Qualitäts- und Sicherheitsmängeln. Wie reagieren Sie darauf?

Jeden einzelnen Vorfall nehmen wir ernst. Aber seitdem es eine Post gibt, kommen auch, wie überall, wo Menschen arbeiten, Fehler vor. Doch muss man auch sagen, dass das Problem bezogen auf die Zahl aller Briefe, die wir bearbeiten, verschwindend gering ist. Die meisten Fälle sind auf die Schwäche einzelner Menschen zurückzuführen. Gegen Unkorrektheiten gehen wir mit einer Vielzahl von harten Maßnahmen vor, bis zur fristlosen Kündigung. Wir untersuchen aber jedesmal, ob der Fehler nicht vielleicht auch im System liegt.

Erkennen Sie einen Zusammenhang zwischen Outsourcing und Fehlerquote?

Nein, Fehlverhalten kommt sowohl bei von uns beauftragten Firmen als auch unseren eigenen Mitarbeitern vor. Genauso wie wir bei Einstellungen darauf achten, was für einen neuen Mitarbeiter wir bekommen, achten wir auch auf die Qualität der Firmen, die wir beauftragen.

Wie weit werden Sie denn mit dem Outsourcing gehen?

Wir werden immer eigene Mitarbeiter haben. Es geht aber darum, flexible Kostenstrukturen zu schaffen. Mache ich alles mit meinen eigenen Beschäftigten, habe ich ein Problem, sobald das Briefvolumen zum Beispiel schrumpft. Denn ich kann dann keine entsprechende Arbeit mehr bieten. Die Aufträge an kleinere Unternehmer, die auch noch andere Auftraggeber haben, kann ich viel leichter anpassen. Das große Thema beim Outsourcing ist also die Flexibilität.

Was machen Sie mit den Beschäftigten, deren Arbeit tatsächlich vergeben wird?

Teilweise werden frei werdende Stellen nicht neu besetzt. Teilweise bieten wir Beschäftigten, die von Outsourcing betroffen sind, eine Abfindung oder einen anderen Arbeitsplatz im Konzern. Im Übrigen wird alles in Abstimmung mit den Gewerkschaften gemacht. Seitdem ich an der Spitze der Deutschen Post bin, haben wir bei diesem Unternehmen niemanden einfach in die Arbeitslosigkeit geschickt. Wir haben einen Beschäftigungspakt bis Frühjahr 2008, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, und einen Ausbildungspakt.

Der Beschäftigungspakt läuft aber nur, bis die Briefmärkte vollständig liberalisiert werden. Was kommt dann auf Ihre Mitarbeiter in Deutschland zu?

Wir werden kämpfen, dass wir unser Briefvolumen, unseren Marktanteil und damit auch das Arbeitsvolumen behalten. An vorderster Front zu nennen ist die Qualität. Im Schnitt ist ein Standardbrief in Deutschland 1,06 Tage unterwegs. Das ist technisch kaum noch steigerbar, aber wir arbeiten jeden Tag an Verbesserungen. Das ist unsere strategische Waffe: ein Premiumanbieter zu sein. Wie wir alle wissen, war die Situation vor zehn Jahren noch eine ganz andere. Daneben schaffen wir, wie gesagt, flexiblere Kostenstrukturen und arbeiten an einer höheren Effizienz...

...was nicht gerade zusätzliche Arbeitsplätze schafft.

Wir wollen aber auch unser Arbeitsvolumen vergrößern. Zum Beispiel bauen wir die Sparte Direktmarketing – Kataloge, direkt adressierte Briefe und Werbebroschüren – aus. Unser „Einkauf aktuell“ etwa, bei dem wir mehrere Werbebroschüren bündeln und direkt zustellen, ist sehr erfolgreich und rechnet sich. Und wir wollen im Ausland zusätzliches Volumen gewinnen. Allerdings müssen wir da auch Geld verdienen können, weshalb sich zum Beispiel das Thema dänische Post erledigt hat.

Engagements im Ausland bringen aber in der Regel keine neuen Jobs im Inland. Hier zu Lande müssen Sie auf längere Sicht mit Verlusten beim Marktanteil rechnen.

Die Grundaussage kann ich so nicht gelten lassen. Wir haben hier sehr gute Beschäftigte, die tolle Qualität liefern. Und wenn wir ähnlich flexible Kostenstrukturen haben wie die Wettbewerber, wieso sollten wir dann verlieren? Es sind Verhandlungen mit den Gewerkschaften angesagt, damit kein Wettbewerb über die Personalkosten gemacht werden kann.

Werden Sie – nach solchen Verhandlungen – auch den Beschäftigungspakt verlängern?

Seitdem ich dabei bin, haben wir auf betriebsbedingte Kündigungen bei der Deutschen Post verzichtet. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass dies auch in die Zukunft verlängert wird. Wir müssen die Situation aber im Jahr 2008 genau analysieren.

Sie haben sich gerade von ihren Aktionären neues Kapital genehmigen lassen. Was planen Sie damit?

Das war eine reine Vorsorgemaßnahme. Den Pfeil muss jeder Vorstand in seinem Köcher haben. Große Übernahmen sind aber aktuell nicht geplant. Trotzdem bleibt es dabei: Wir investieren zum Beispiel kräftig in Asien in das Logistik- und Expressgeschäft. Die Entwicklung ist auch sehr gut. In Indien, einem Markt mit einer Milliarde Einwohnern, ist unsere Tochter Marktführer. In China bauen wir ein eigenes Zustellnetz für Expresspakete auf.

Der Gewinn soll kräftig zunehmen, die Bedeutung des Briefgeschäfts abnehmen. Wie sieht der Zeitplan aus?

Vor zehn und mehr Jahren war noch alles, was wir in Deutschland gemacht haben, hoch defizitär. Das haben wir profitabel gemacht. Dann haben wir die Losung ausgegeben, dass 50 Prozent des Gewinns aus dem Briefgeschäft, 50 Prozent aus dem übrigen Geschäft stammen sollen.

Wann ist es so weit?

Dass Logistik, Express und die Postbank beim Gewinn von heute 1,3 Milliarden Euro weiter nach oben gehen werden, ist sicher. Beim Brief sollen die zwei Milliarden Euro verteidigt werden. Vor dem Hintergrund werden wir das Ziel Fifty-Fifty vor der Liberalisierung des deutschen Briefmarktes erreicht haben.

In den USA haben Sie im ersten Quartal 133 Millionen Euro verloren. Können Sie ihre Prognose dort noch halten?

Ja, wir liegen derzeit voll im Plan. Die Ziele – 300 Millionen Euro Verlust in diesem Jahr und schwarze Zahlen im vierten Quartal 2006 – werden wir erreichen. Wir haben jetzt in Amerika ein Paketnetz aufgebaut, mit dem wir annähernd das ganze Land abdecken. Außerdem bauen wir unser zentrales Luftdrehkreuz aus, den größten privaten Flugplatz der USA. Das kostet natürlich Geld, wird sich aber auszahlen.

Das Gespräch führte Bernd Hops.

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