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Wirtschaft: Unsicherheiten bei der Steuerschätzung

Wirtschaftswachstum und Staatseinnahmen koppeln sich immer stärker ab / Reform überfälligVON ROLF PEFFEKOVENSeit einigen Jahren wiederholt sich das gleiche Spiel: Die Experten des Arbeitskreises Steuerschätzung veröffentlichen ihre Prognose, wie sich die Steuereinnahmen der Gebietskörperschaften im laufenden und im nächsten Jahr entwickeln werden.Regelmäßig müssen die Einnahmeschätzungen nach unten korrigiert werden, so daß sich die Finanzminister in Bund und Ländern gezwungen sehen, ihre Haushaltsplanungen zu revidieren, also Haushaltssperren einzuführen oder Nachtragshaushalte vorzulegen.

Wirtschaftswachstum und Staatseinnahmen koppeln sich immer stärker ab / Reform überfälligVON ROLF PEFFEKOVEN

Seit einigen Jahren wiederholt sich das gleiche Spiel: Die Experten des Arbeitskreises Steuerschätzung veröffentlichen ihre Prognose, wie sich die Steuereinnahmen der Gebietskörperschaften im laufenden und im nächsten Jahr entwickeln werden.Regelmäßig müssen die Einnahmeschätzungen nach unten korrigiert werden, so daß sich die Finanzminister in Bund und Ländern gezwungen sehen, ihre Haushaltsplanungen zu revidieren, also Haushaltssperren einzuführen oder Nachtragshaushalte vorzulegen.Auf den ersten Blick muß die Entwicklung des Steueraufkommens überraschen, weil sich die Wachstumserwartungen sogar verbessert haben.So prognostiziert der Sachverständigenrat im soeben vorgelegten Jahresgutachten für 1997/98 ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,5 Prozent in diesem und von drei Prozent im nächsten Jahr. Für die Preissteigerung werden Raten von 1,75 Prozent (1997) und zwei Prozent (1998) erwartet, so daß sich eine nominale Zunahme des BIP von etwa 4,25 Prozent beziehungsweise fünf Prozent ergibt.Von daher müßte eigentlich auch mit steigendem Steueraufkommen gerechnet werden. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß sich die Entwicklung der Steuereinnahmen immer stärker von der Wachstumsrate des BIP abkoppelt.Für die beiden aufkommensstärksten Steuern, die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, lassen sich dafür auch Gründe aufzeigen.Das Lohnsteueraufkommen hängt nicht unmittelbar von der Größe des BIP, sondern von der Höhe der Bruttolohn- und -gehaltssumme ab.Steigt diese bei einer Zunahme des BIP geringer als in vorangegangenen Perioden, so folgt daraus ein entsprechend schwächerer Anstieg des Lohnsteueraufkommens. Ein wesentlicher Grund für die geringe Zunahme des Lohnsteueraufkommens liegt darin, daß trotz wachsender Wirtschaft die Beschäftigung sinkt; in die gleiche Richtung wirken die durchaus moderaten Tarifabschlüsse des letzten Jahres.Auch das Umsatzsteueraufkommen wird nicht eindeutig von der Wachstumsrate des BIP bestimmt.Es hängt vielmehr davon ab, wie sich die Konsumausgaben für umsatzsteuerpflichtige Güter und Dienstleistungen entwickeln.Diese sind zum einen abhängig von der Höhe des privaten Konsums, der indes im Augenblick in der Bundesrepublik ausgesprochen schwach ist.Zum anderen beeinflussen auch Änderungen in der Struktur des privaten Konsums das Umsatzsteueraufkommen. Dazu kommt es, wenn ein zunehmender Teil des Konsums auf umsatzsteuerfreie Ausgaben (etwa für Mieten) und ermäßigt besteuerte Ausgaben (etwa für Lebensmittel) entfällt oder wenn größere Teile des Einkommens im Ausland konsumiert werden.Zu berücksichtigen ist ferner, daß die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung derzeit vorwiegend von der Auslandsnachfrage getragen wird, Exporte unterliegen aber nicht der Umsatzsteuer. Weitere Unsicherheiten für die Entwicklung des Steueraufkommens ergeben sich durch Steuervergünstigungen, wie etwa die Sonderabschreibungen für Investitionen in den neuen Bundesländern.Im voraus ist dabei kaum abschätzbar, in welchem Umfang solche Vergünstigungen von den privaten Wirtschaftssubjekten in Anspruch genommen werden und in welchem Ausmaß demnach das Aufkommen aus der veranlagten Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer sinkt.Zusätzlich erschwert werden die Schätzungen durch die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Unstetigkeit der Steuerpolitik, die durch häufige, zum Teil erst kurz vor Beginn des Steuerjahres beschlossene, Steuerrechtsänderungen gekennzeicht ist und zu kaum prognostizierbaren Änderungen in den Verhaltensweisen der Steuerpflichtigen führt.Zudem sind legale und illegale Ausweichreaktionen zu berücksichtigen, die mit gestiegener Steuer- und Abgabenlast zugenommen haben dürften. Zu den legalen Ausweichreaktionen gehören etwa die von global operierenden Konzernen vorgenommenen Gewinnverlagerungen ins Ausland.Illegale Ausweichreaktionen sind vor allem Schwarzarbeit und andere Aktivitäten in der Schattenwirtschaft oder das Nichtdeklarieren von im Ausland erzielten Zinseinkünften. Für die Steuerschätzer ist es ausgesprochen schwierig, die hier skizzierten Verhaltensweisen zeitnah in ihren Prognosen zu berücksichtigen.Der Gesetzgeber hat es jedoch teilweise selbst in der Hand, die Prognosesicherheit bezüglich der Steuereinnahmen und damit die Grundlage für die öffentliche Haushaltsplanung zu verbessern.Durch eine Senkung der hohen Ausgabenlast können Ausweichreaktionen begrenzt werden. Eine größere Stetigkeit in der Steuergesetzgebung verringert die Unsicherheiten über die Reaktionen auf Steuerrechtsänderungen.Ein Abbau der Steuervergünstigungen vermindert auch die Ungewißheit darüber, inwieweit diese in Anspruch genommen werden.All diese Aspekte sollten in der inzwischen gescheiterten Steuerreform angegangen werden.Die Schwierigkeiten mit der Steuerschätzung signalisieren die Notwendigkeit, durch eine Steuerreform die Transparenz und die Systematik des Steuerrechts grundlegend zu verbessern.

ROLF PEFFEKOVEN

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