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Urbane Mobilität der Moderne: Das Fahrrad ist gesund, sauber, preiswert und macht dazu auch noch Spaß. Foto: dpa

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Unter Strom: Elektro-Räder geben Gas

Elektro-Bikes werden alltagstauglich - das überzeugt auch Unternehmen und Gewerbetreibende.

Berlin - Ein, zwei Tritte in die Pedale - und wir bewegen uns aus dem Stand mit Tempo 25 im Verkehrsfluss. Elektroantrieb sei Dank. Bei Bedarf geht es auch schneller: Der schlanke Bosch-Mittelmotor beschleunigt bis 45 km/h. Der im Rahmen versteckte Lithium-Ionen-Akku liefert Strom für fast 100 Kilometer. GPS-Navi, Smartphone und Digitalkamera am Lenker werden von einem kleinen E-Werk versorgt, das der Nabendynamo mit Strom speist – ebenso wie Brems- und Tagfahrlicht. Geschaltet wird per Tastendruck, vollelektronisch. In der Hinterradnabe sitzt die Messelektronik, mit der wir das Fitnessprogramm auf dem kleinen Bordcomputer drahtlos überwachen. Die Herzfrequenz ist optimal. Der Fahrradfrühling kann kommen.

Die Zweiradsaison 2012 steht, das zeigt das hochgerüstete Beispiel-Rad, unter Strom. Während die Autoindustrie sich schwer tut, serienreife und alltagstaugliche Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen, überbieten sich die Fahrradhersteller jedes Jahr mit elektrischen Innovationen. Ein Blick auf die Neuheiten zeigt: Elektrisch ist nicht mehr nur der Antrieb – wer will, kann aus seinem Fahrrad ein Hightech-Entertainment-Vehikel machen. Und viele tausend Euro dafür ausgeben.

Das wollen und leisten sich offenbar immer mehr Menschen: Der Zweirad-Industrieverband (ZIV) schätzt, dass in diesem Jahr 400 000 Pedelecs (Pedal Electric Cycle) und E-Bikes (2011: 310 000) zu Preisen ab 1600 Euro in Deutschland verkauft werden. In Europa waren es im vergangenen Jahr schon 900 000, dieses Jahr könnten 1,1 Millionen dazu kommen.

Je reifer die Technik, desto interessanter werden die Räder mit Hilfsmotor auch für jene, die Fahrräder jeden Tag professionell einsetzen: Unternehmen und Selbstständige, die in der Stadt auf kurzen Wegen Lasten transportieren, Zustell-, Kurier- und Pflegedienste, Taxi- und Sightseeing-Anbieter.

Fast jedes vierte der 23 300 Fahrräder, mit denen Briefträger der Deutschen Post bundesweit im Einsatz sind, ist inzwischen ein Elektrofahrrad. 500 der rund 6000 Post-Pedelecs sind in Berlin und Brandenburg unterwegs. „Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt eine Sprecherin. Die Flotte werde regelmäßig modernisiert. So werden die E-Bikes von diesem Jahr an mit leistungsstärkeren Lithium-Ionen Akkus ausgestattet sein. „Dazu haben wir bereits 2011 rund 1800 neue E-Bikes geordert, die jetzt nach und nach die Räder der älteren Generation ersetzen werden“, sagt die Post-Sprecherin.

Vielversprechend verlief 2011 auch ein vom Bundesverkehrsministerium geförderter Pilotversuch in Bremen, wo unter der Überschrift „Elektrorad statt Dienstwagen“ E-Bikes in ambulanten Pflegediensten eingesetzt wurden. Trotz erheblicher Vorbehalte (mangelnder Komfort, körperliche Anstrengung, Wind und Wetter), ließen sich die Beteiligten auch von den wirtschaftlichen Vorteilen überzeugen: Im Vergleich zu einem geleasten Kleinwagen mit Basisausstattung verursacht ein Pedelec monatlich nur etwa ein Viertel der Kosten.

Auch die Leasingbranche hat das Zweirad entdeckt: Spezialanbieter berechnen nach Angaben des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) monatlich 30 bis 50 Euro für ein einfaches E-Bike und 80 bis 100 Euro für ein Pedelec mit Zweitakku, Wartungsvertrag und Versicherung inklusive.

In Berlin werden Pedelecs im gewerblichen Einsatz und Berufsverkehr künftig sichtbarer, wenn die Stadt ihr vom Bund gefördertes „Schaufenster Elektromobilität“ öffnet. So sollen im „eLogistics“-Projekt neue Stadt-Logistik-Konzepte erprobt werden, in denen auch E-Lastenräder im Lieferverkehr zum Einsatz kommen. Das von der DB Fuhrpark Gruppe der Deutschen Bahn geführte Projekt „Elektrische Flotten für Berlin-Brandenburg“ will in den kommenden drei Jahren bis zu 500 Pedelecs in Verleihsystemen und Fuhrparks an den Start bringen. Weitere 500 Elektroräder werden in einem „Pedelec-Korridor“ eingesetzt, den Berlin und Brandenburg gemeinsam ausbauen, damit Pendler aus dem südlichen Umland künftig per E-Bike direkt ins Stadtteilzentrum von Steglitz-Friedenau gelangen können.

Auch die Autohersteller und ihre Zulieferer springen auf den E-Bike-Boom auf. Wer einen Spritfresser kaufe, könne sein Gewissen beruhigen, wenn es ein E-Bike dazu gebe, ätzt ein Fahrradhersteller. „Die Branche will zeigen, dass sie dabei ist“, sagt ein Sprecher des Zweiradverbandes ZIV über die Bemühungen der PS-Industrie. „Auch, wenn sie die Räder nicht selbst herstellt.“ Daimler zum Beispiel verkauft seit diesem Frühjahr ein Smart-Bike, dessen Technik von der Berliner Firma Grace stammt – die jüngst von den Mitteldeutschen Fahrradwerken in Sangerhausen übernommen wurde.

Porsche hat ein Rad im Angebot und BMW will zu den Olympischen Spielen in London in diesem Sommer mit einem E-Bike glänzen. Audi arbeitet an einem elektrischen Konzeptrad, Ford präsentierte auf der IAA im vergangenen Herbst eine Zweirad-Studie. Und Opel zeigte auf dem Genfer Autosalon kürzlich seinen „Rad e“-Entwurf. Nach dem 2011 vorgestellten Konzept-Dreirad „RAK e“ schrumpft der angeschlagene Autobauer nun auf zwei Räder. Das motorisierte Einrad steht indes noch aus.

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