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Die Uhr läuft.

© picture alliance / dpa

Wirtschaft: Unter Zeitdruck

Interim-Manager übernehmen befristete Chefpositionen. Die Spezialisten sind vor allem für Projekte gefragt.

Er hat Karriere gemacht, war General Manager bei Microsoft, hat Bill Gates und Steve Ballmer getroffen und trotzdem war da auf einmal das Gefühl: „Das kann doch nicht alles gewesen sein.“ Seinen 50. Geburtstag hatte Eckhart Hilgenstock gerade gefeiert, als er spürte, „dass die Luft raus ist“. Er entschied, beruflich ein neues Leben zu beginnen: Er einigte sich mit Microsoft auf eine Trennung, erhielt eine Abfindung und wurde Interim-Manager. Unternehmen buchen Hilgenstock für drei, sechs, neun Monate und länger, bezahlen ihn gut, geben ihm genau definierte Ziele vor, überlassen ihm aber die Umsetzung. Ist Hilgenstock, 52, mit dem Projekt fertig, geht er wieder.

Die Arbeitswelt in Deutschland hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten nachhaltig gewandelt. Viele Unternehmen haben sich verschlankt, kleinere Einheiten gebildet, komplette Abteilungen ausgegliedert. Die Zahl und Bedeutung der Selbstständigen und Freiberufler ist parallel dazu gestiegen. Sie übernehmen zunehmend Aufgaben, die einst im Großunternehmen erledigt wurden – auch als Führungskräfte auf Zeit. Der Vorteil für die Konzerne: Sie können in immer schnellerem Takt auf neue Anforderungen reagieren, ohne dafür neue Stellen einrichten zu müssen. Und hochqualifizierte Interim-Manager werden gut bezahlt. Für viele dieser „Feuerwehrleute der Wirtschaft“ ist das Arbeiten auf Zeit eine zweite Karriere.

Eckhart Hilgenstock hat über 25 Jahre Erfahrung als angestellte Führungskraft. „Ich war sehr karriereorientiert“, sagt er. „Aber je höher ich stieg, desto enger wurde der Raum für eigene Gestaltung, denn die Vorgaben wurden immer genauer, und immer mehr Leute schauten auf einen.“ Unternehmen holen ihn heute, so erzählt er, „wenn sie das Wesen ihres Geschäfts verändern wollen. Entweder wird die bisherige Struktur des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt, oder es ist meine Aufgabe, eine Struktur überhaupt erst zu entwickeln“, sagt er. Zu seiner Vorbereitung auf seine zweite Karriere gehörte die Beratung durch einen Outplacement-Experten, die Zertifizierung zum Business-Coach und die Weiterbildung zum Interim Executive. Zudem half ihm ein erfahrener Zeit-Manager.

Seinen ersten Job mit zeitlicher Begrenzung erhielt er über einen ehemaligen Microsoft-Kollegen, der ihn in ein dänisches Softwarehaus holte, um dort die Markteinführung im deutschsprachigen Raum zu leiten. Dann bewarb sich der Vertriebsexperte bei den Management Angels und wurde nach einem Auswahlprozess in den Pool aufgenommen, in dem sich rund 1 500 Manager befinden. Ähnlich wie eine Model-Agentur vermitteln die Personalprofis Kandidaten an Unternehmen. Sie bereiten den Kandidaten auf das Engagement vor und begleiten ihn während seines Einsatzes. Dafür erhalten die Vermittler – in Deutschland gibt es etwa 20 – zwischen 20 und 30 Prozent des Honorars.

Die Management Angels haben sich auf acht Branchen spezialisiert und vermitteln Führungskräfte seit zwölf Jahren. Am Anfang sei der Markt dominiert gewesen von älteren Herren ab Anfang 60, die vornehmlich als Generalisten für Restrukturierungsprojekte gebucht wurden, sagt Gründer und Geschäftsführer Thorsten Becker. „Heute sind die Manager auf Zeit jünger und in fast allen Branchen, Funktionen und Ebenen tätig.“ Der Altersdurchschnitt liege bei seinen Kandidaten bei Ende 40, etwa ein Fünftel seien Frauen.

Nach Schätzungen des Arbeitskreises Interim Management Provider (AIMP) arbeiten in Deutschland rund 15 000 Mietmanager. Zwei Milliarden Euro ist der Markt schwer. Der zweite Branchenverband, die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM), die das Berufsbild des Interim-Managers enger definiert, spricht von rund 5 000 Leihmanagern und einem Marktvolumen von einer Milliarde Euro.

Laut AIMP ist ein „Feuerwehrmann der deutschen Wirtschaft“ im Schnitt 140 Tage pro Jahr im Einsatz – etwa 40 Prozent der Jobs resultierten aus einer kurzfristigen Vakanz, 20 Prozent seien klassische Projektarbeiten. Die Tagessätze liegen zwischen 600 und 2 300 Euro.

Doch nicht jeder ist für den Job gemacht. „Die meisten der uns bekannten Interim-Manager haben sich bewusst entschieden, ein unternehmerisches Risiko einzugehen und zeitlich befristet tätig zu sein“, sagt Vermittler Thorsten Becker. Wer davor Angst habe, solle es lieber lassen. Denn Interim-Manager sind Freiberufler. Als solche müssen sie sich allein um ihre finanzielle Vorsorge, Kranken- und Rentenversicherung sowie ihre Weiterbildung kümmern. Zudem müssen sie extrem flexibel und mobil sein.

Vermittler Thorsten Becker kennt Führungskräfte, die an ihre zweite Karriere, die als Manager auf Zeit, noch eine dritte anhängen – wieder als Festangestellter. „Das ist zwar die Ausnahme, laut AIMP machen das nur vier Prozent aller Interim-Manager, aber es kommt vor“, sagt Becker. Ein Interimer, der sich zwischenzeitlich einen großen internen Erfahrungsschatz angeeignet habe und dann in einem Unternehmen einen sehr guten Job mache, sei für diesen Betrieb manchmal so attraktiv, „dass man ihm einen Traumposten beispielsweise im Vorstand anbietet“.

Wenn der Freiberufler zugreift, habe das allerdings in den seltensten Fällen damit zu tun, dass er berufliche Sicherheit sucht. Nicht die Sicherheit locke, „sondern der Reiz, sein Kind nicht nur laufen zu sehen, sondern es auch noch durch die Schule und Pubertät zu bringen“. (HB)

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