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Wirtschaft: Unternehmen glauben wieder an Europa

Deutsche Wirtschaft hofft auf steigenden Export in die Euro-Zone – doch zu Hause droht die Infrastruktur zu verrotten.

Berlin - Die Stimmung in den Chefetagen deutscher Firmen bessert sich. Der Ifo-Index, das wichtigste Konjunkturbarometer für die Bundesrepublik, legte im Juni von 105,7 auf 105,9 Punkte leicht zu. „Der Optimismus nimmt weiter zu. Die deutsche Konjunktur hält Kurs“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen am Montag. Allerdings halten Ökonomen dringend höhere Investitionen in die deutsche Infrastruktur für nötig, damit das Wachstum auf Dauer nicht abfällt.

Vor allem die Industrie meldete eine gewachsene Zuversicht, gespeist durch Hoffnungen auf besser laufende Exportmärkte. Dagegen trübte sich die Lage im Groß- und Einzelhandel sowie auf dem Bau ein. Auch bei den Dienstleistern ging es bergab. Bereits im Mai hatte sich das Ifo-Geschäftsklima verbessert, nachdem es zuvor zwei Monate in Folge schlechter geworden war. Das Ifo-Institut befragt für den Index regelmäßig 7000 Firmen zu ihren Plänen und der Lage.

Die Wirtschaft steckt derzeit in einer schwierigen Lage – im ersten Quartal stagnierte sie mehr oder weniger, Folge der schwachen Nachfrage in vielen Euro-Ländern. Hinzu kommen nun Hinweise auf eine Abkühlung in China, dem mittlerweile fünftwichtigsten Exportmarkt. Ökonomen rechnen für das Gesamtjahr hierzulande nur noch mit einem um 0,4 Prozent steigenden Bruttoinlandsprodukt. Für die Jahresmitte erwarten viele aber den Beginn einer Belebung.

Wirtschaftsexperten halten den Optimismus der Unternehmen für gerechtfertigt. So bessere sich die Zuversicht in Frankreichs Industrie, in Spanien und Italien ebenso. „Das bedeutet gute Nachrichten für die deutschen Exportfirmen“, sagte Andreas Rees von der Bank Unicredit. Diese drei Länder hätten vergangenes Jahr mehr als ein Sechstel der deutschen Ausfuhren abgenommen. „Die konjunkturelle Lage hellt sich weltweit allmählich wieder auf“, sagte auch Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI. Dies gelte vor allem für den Euro-Raum. „Das spürt auch die deutsche Exportindustrie.“ Der BDI rechne damit, dass die Ausfuhren 2013 um bis zu 3,5 Prozent zulegen könnten.

Mittelfristig könnte das Land allerdings Probleme bekommen. „Die deutsche Wirtschaft steht längst nicht so gut da, wie viele derzeit denken. Seit 1999 hat Deutschland einen Investitionsrückstand von rund einer Billion Euro aufgebaut und dadurch erhebliche Wachstumschancen verpasst“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Dadurch sei die Bundesrepublik in vielen Bereichen hinter den europäischen Durchschnitt zurückgefallen. Er empfahl staatliche und private Investitionen in Höhe von 75 Milliarden Euro pro Jahr für die Bereiche Bildung, Energie und Infrastruktur. Spielraum dafür gebe es – zum einen, weil sich der Staat derzeit günstig refinanzieren könne, zum anderen, weil er heute und in den kommenden Jahren Etatüberschüsse erwirtschafte. Carsten Brönstrup

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