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Wirtschaft: Unternehmen im Dividendenrausch

Dax-Konzerne schütten so viel aus wie auf dem Höhepunkt des Börsenbooms – Experten: Ein Zeichen von Fantasielosigkeit

Berlin - Die 30 im Deutschen Aktienindex (Dax) notierten Unternehmen schütten in diesem Jahr so viel an ihre Aktionäre aus wie zuletzt vor fünf Jahren. 25 von 30 Konzernen haben ihre Dividende erhöht. Das Volumen der Ausschüttungen beläuft sich auf mehr als 15 Milliarden Euro. Die Bilanz für die Beschäftigung fällt am Ende der diesjährigen Berichtssaison hingegen mager aus. 13 von 30 Unternehmen bauten 2004 Arbeitsplätze ab – vor allem in Deutschland.

Insgesamt schufen die Dax-Firmen weltweit per saldo im vergangenen Jahr nur gut 9600 Stellen. Dies entspricht nach Tagesspiegel-Berechnungen einem Zuwachs von rund 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Inland bauten die Konzerne allerdings rund 35000 Stellen ab. Die Gewinne der Dax-Konzerne stiegen in der Summe um 117 Prozent auf insgesamt 35,7 Milliarden Euro. In der Arbeitsplatzbilanz berücksichtigt sind auch Unternehmensverkäufe, Akquisitionen oder Abspaltungen. Gut 3,55 Millionen Menschen waren zuletzt weltweit bei den 30 Unternehmen beschäftigt.

Die öffentliche Kritik am Missverhältnis von Gewinnen und Beschäftigung wird auch in der Finanzszene geteilt. „Deutsche Unternehmen laufen immer wieder Gefahr beim Personalabbau zu übersteuern. Diesen Eindruck haben wir auch mit Blick auf das vergangene Geschäftsjahr“, sagte Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Tagesspiegel. „Da wird häufig zu kurzfristig gedacht. Das kann sich in ein paar Monaten rächen, wenn den Unternehmen das Fachpersonal fehlt.“

Thomas Körfgen, Leiter des Aktienfondsmanagements von SEB Invest, sagte dieser Zeitung: „Beim Personalabbau ist teilweise übertrieben worden, vor allem bei den Banken.“ Hier sei oftmals an den falschen Stellen gespart worden. „Darunter leidet jetzt die Motivation der verbliebenen Mitarbeiter“, sagte Körfgen.

„Wir müssen aufpassen, dass wir einzelne Meldungen – wie etwa die vom Stellenabbau der Deutschen Bank – nicht zum Trend machen“, warnte hingegen Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen. Richtig sei aber, dass sich die an den Gewinnen ablesbaren Restrukturierungserfolge insgesamt noch nicht auf die Beschäftigung ausgewirkt hätten. Dies sei im Konjunkturzyklus aber nicht ungewöhnlich. „In den USA war das in einer Übergangsphase auch so.“ Inzwischen sei nach den steigenden Unternehmensgewinnen auch dort der Arbeitsmarkt angesprungen. „Die Sorge vor einem joblosen Aufschwung hat sich also nicht bestätigt“, sagte Traud.

„Wir brauchen jetzt Unternehmen, die investieren“, sagte Fondsmanager Körfgen. „Viele wissen teilweise gar nicht, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen.“ Dies liege allerdings auch an den Rahmenbedingungen. Viele Unternehmen wüssten nicht, wo sie investieren sollen. „Viele wagen es aber auch nicht“, sagte Körfgen. Die Dividendenerhöhungen zeigten jedoch, „dass es den großen deutschen Unternehmen gar nicht so schlecht geht“.

Beschäftigungswirksam investieren werden die Unternehmen erst wieder, „wenn sie glauben, dass es sich auch langfristig lohnt“, sagte Gertrud Traud. Hier müssten in den kommenden Monaten die Weichen gestellt werden. „Wenn die Frühindikatoren wie der Auftragseingang und der Export nicht täuschen, dann können wir Mitte des Jahres eine Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt erwarten“, glaubt Traud.

Den Optimismus teilen indes nicht alle Experten. Der Grund: Die verhaltenen Prognosen der Dax-Unternehmen. „Nur wenige Konzerne haben wirklich überrascht“, sagte Volker Borghoff, Aktienstratege bei HSBC Trinkaus&Burkhardt. „Das heißt: Die Aussichten für 2005 sind nicht so gut wie erwartet.“ Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen müsse es auch im laufenden Jahr geben. Auch die Dividendenpolitik sei nicht nur positiv zu bewerten: „Die hohen Ausschüttungen zeugen von einer gewissen Fantasielosigkeit der Unternehmen.“

Nach den Vorstellungen der Aktionärsvertreter könnten die Aktiengesellschaften noch mehr für ihre Eigentümer tun: „Die Ausschüttungsquote lässt immer noch zu wünschen übrig“, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Hocker. „Wir wünschen uns mindestens 50 Prozent vom Jahresüberschuss. Im Schnitt werden auch dieses Jahr wohl nur 30 bis 35 Prozent an die Anteilseigner ausgeschüttet.“

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