zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Unterschiedliche Reaktionen auf das Scheitern der Steuerreform in Berlin

BONN/BERLIN (wei/mo) Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner begrüßte zwar die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die die Berliner Firmen aus dem Westteil der Stadt immerhin um etwa 300 Mill.DM im Jahr entlaste, zeigte sich aber enttäuscht über das Scheitern der Reform.

BONN/BERLIN (wei/mo) Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner begrüßte zwar die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die die Berliner Firmen aus dem Westteil der Stadt immerhin um etwa 300 Mill.DM im Jahr entlaste, zeigte sich aber enttäuscht über das Scheitern der Reform.Nur über mehr Liquidität und mehr Umsatz könne auch mehr Beschäftigung erreicht werden, sagte er gegenüber dem Tagesspiegel.Eine gezielte Entlastung der Firmen sei insbesondere für die Ansiedlungspolitik in Berlin essentiell. Eine größere Kompromißbereitschaft hätte sich der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Hartmann Kleiner, erhofft."Weitere Stagnation können wir uns nicht leisten.Man kann keine Papiere für die Zukunft, wie es nun die SPD getan hat, auf den Tisch legen, ohne Entscheidungen mittragen zu wollen." Nach Ansicht von Heiner Flassbeck vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gibt es hingegen grundsätzlich keine unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft.Flassbeck verwies vielmehr auf die Folgewirkungen für die Länder, die nun nicht noch zu weiteren Sparanstrengungen mit entsprechend negativen Folgen für die Beschäftigung gezwungen wären. Auch die Vorsitzende des DGB Landesbezirk Berlin-Brandenburg Christiane Bretz zeigte sich aus demselben Grund nur wenig enttäuscht über die aktuellen Beschlüsse.Als Erfolg bezeichnete es Bretz, daß die von der Bonner Koalition angestrebte Besteuerung von Nacht, Sonn- und Feiertagszuschlägen, die sieben Millionen Menschen betroffen hätten, vom Tisch sei. In Bonn reagierten die Spitzenverbände der Wirtschaft überwiegend enttäuscht und forderten die Koalition auf, bis zum Ende der Legislaturperiode alle Maßnahmen zu ergreifen, die ohne Zustimmung des Bundesrates durchgesetzt werden können.Nur der Einzelhandel gibt dem Scheitern der Reform den Vorzug vor der damit verbundenen Anhebung der Mehrwertsteuer.Der DGB rief den Bundestag auf, das Votum des Vermittlungsausschusses zu akzeptieren.Die Anhebung der Mehrwert- und der Mineralölsteuer sowie die Senkung der Beiträge für die Renten- und Arbeitslosenversicherung seien geeignet, die Sozialversicherung finanziell zu stärken und die Zahl der Arbeitslosen um 120 000 zu senken.Außerdem sei es ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer.Die Vorschläge der Koalition führten dagegen zu hohen Steuerausfälen für die öffentlichen Haushalte und einem Rückgang der Beschäftigung im öffentlichen Dienst.Dagegen nannte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt das Votum des Vermittlungsuaschuß einen schweren Schaden für den Standort Deutschland.Die von der Opposition angestrebte Anhebung der Mineralöl- und Mehrwertsteuer ohne Steuer- und Rentenreform sei ein "Anschlag" auf die Konjunktur, die Blockade des Bundesrates lasse jede gesamtstaatliche Verantwortung vermissen.Hundt forderte die Regierung auf, die Steuerreform jetzt nicht zu den Akten zu legen.Die Senkung des Solidaritätszuschlages ei zwar kein Ersatz für eine umfassende Reform.Damit könne aber ein kleiner Schritt zur Senkung der Staatsquote geleistet werden.Außerdem solle die Regierung daran festhalten, die Rentenreform bereits 1998 in Kraft zu setzen.Ähnlich äußerten sich die anderen Spitzenverbände.Die Industrie sei "mehr als enttäuscht" über das Ausbleiben einer Nettoentlastung, sagte BDI-Präsident Olaf Henkel.Um zu verhindern, daß sich "allerorten tiefe Resignation" breitmache, müsse die Koalition jetzt alle Maßnahmen ergreifen, die ohne den Bundesrat durchsetzbar seien.Die Wirtschaft erwarte jetzt, daß die Koalition Erleichterungen bei Steuern und Abgaben vornehme, die sie alleine umsetzen könne, meinte auch DIHT-Präsident Hans Peter Stihl.Der Präsident des Bundesverbandes der Groß- und Außenhandels verlangte sogar die völlige Abschaffung des Solidaritätszuschlages ab Januar.Eine solche Entlastung um 30 Mrd.DM werde die Binnenkonjunktur ankurbeln.Der SPD warfen die Spitzenverbände vor, den Zusammenhang zwischen steuerlicher Entlastung und Wachstum zu ignorieren.Statt dessen konzentrierten sich die Sozialdemokraten auf Steuererhöhungen und Umfinanzierungsmodelle.Damit würden aber keine Arbeitsplätze geschaffen.Auch die Kreditwirtschaft unterstrich diesen Aspekt.Das Scheitern der Steuerreform sei eine "Bankrotterklärung" für den Standort Deutschland, sagte Bankenverbandespräsident Martin Kohlhaussen.Sein Amtskollege von den Volksbanken, Wolfgang Grüger, sieht weitere Arbeitsplätze bedroht.Erleichtert ist dagegen der Einzelhandel.Er befürchtet von einer Anhebung der Mehrwertsteuer einen größeren Umsatzverlust als er durch die Entlastung seiner Gewinne ausgleichen könnte.Betriebsschließungen und Entlassungen könnten nun vermieden werden, heißt es beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false