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In Fernost Gelassenheit lernen. Vielleicht machen bald auch deutsche Gründer ihre Morgenübungen vor der Skyline des Finanzviertels Lujiazui in Shanghai.

© Johannes Eisele/AFP

Unterstützung für Start-ups: Offenes Fenster für geschäftliche Gelegenheiten

Die Berliner Wirtschaftsförderung schließt eine Start-up-Allianz mit Shanghai. Nach Tel Aviv und New York kommt bald noch Paris ins Boot.

Wenn Berliner Gründer ihre Fühler nach Asien ausstrecken wollen, bekommen sie jetzt vom Land Unterstützung dafür. Während der Asien-Pazifik-Wochen hat die Wirtschaftsförderung Berlin Partner gestern einen Vertrag mit drei Unternehmen aus China geschlossen. Im Rahmen der Vereinbarung können Gründer aus Shanghai nach Berlin kommen – und Berliner Gründer für bis zu sechs Wochen in Shanghai leben und arbeiten.

Auch mit Tel Aviv und kürzlich mit New York hat Berlin Partner solche Kooperationen vereinbart. „Start Alliance Berlin“ heißt das Programm. „Ziel ist es, den Start-ups zu helfen, schneller in neue Märkte vorzudringen“, erklärt Stefan Franzke, Sprecher der Geschäftsführung von Berlin Partner. „Egal, ob es sich um IT-Dienstleistungen handelt oder um einen Hardware-Entwickler: Internationalisierung ist für viele Start-ups ein wichtiger Wachstumstreiber.“

Tel Aviv hatte Berlin Partner 2015 als erste Stadt ausgewählt, weil es dort einen sehr guten Zugang zu Arbeitskräften mit IT-Hintergrund und viel Wagniskapital gibt. New York kam ins Programm, weil die USA nach Europa der wichtigste Markt für Start-ups und der Leitmarkt der Technikindustrie sind. Im Rahmen des Austauschprogramms bekommen Gründer bis zu vier Wochen lang einen kostenlosen Platz in einem Coworkingspace der jeweils anderen Metropole und werden mit dem dortigen „Ökosystem“ vernetzt.

An den wachsenden Märkten in Asien kommt man nicht vorbei

„Aber auch an den wachsenden Märkten in Asien kommt man nicht vorbei“, meint Franzke. „China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern bietet eine Masse möglicher Kunden und ein wahnsinniges ,window of opportunity’.“ Ein Fenster für Gelegenheiten also. Bei der Frage, welche Stadt in Asien die beste für eine Kooperation sei, fiel die Wahl wegen seiner lebendigen Gründerszene auf Shanghai .

Drei Partner haben die Berliner ins Boot geholt: Chinaccelerator versteht sich als Mentor für Start-ups, ist gut vernetzt und hilft ausländischen Unternehmen dabei, in China Fuß zu fassen. Tuspark kennt sich aus mit Locations für Gründer und hat gute Kontakte in die Wissenschaft. Techcode ist ein Unternehmen für Wagniskapital und Coaching von Start-ups, das auch in Berlin eine Niederlassung hat. Es residiert im Aqua Dome am Alexanderplatz und arbeitet bereits mit hiesigen Start-ups zusammen.

„Wir erhoffen uns einen interdisziplinären kulturellen Austausch zwischen zwei der am stärksten wachsenden Startup-Regionen der Welt“, beschreibt Daniel Lachmann von Techcode die Erwartungen seines Unternehmens an die Kooperation. Techcode wolle Sparringspartner sein, der bei der Vorbereitung des Chinageschäfts vor allem aus gesamtstrategischer Sicht behilflich sei. Leider fehle vielen deutschen Unternehmen nach wie vor so ein Partner. „Es ist das Eine, eine Markteintrittsstrategie in Deutschland zu entwerfen und ihre Umsetzung vorzubereiten. Etwas völlig anderes ist es, diese Strategie auch in die Tat umzusetzen“, sagt Lachmann. „Wir bieten Raum für den Austausch mit unseren Investoren und Partnern, aber auch mit anderen Start-ups, die Einblicke in die Psyche chinesischer Endkunden geben können.“

Die Teilnehmer bekommen Arbeitsräume und Begleitung durch Kooperationspartner

Berliner Gründer, die neugierig auf solche Einsichten sind, internationale Kooperationspartner suchen, expandieren möchten, auf Kapital- oder Mitarbeitersuche sind, können sich für die Start Alliance bewerben. Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass das Start-up mindestens einen Prototyp seines Produktes vorlegen kann. Wer ausgewählt wird, kann einen kostenlosen Coworkingspace bekommen und wird von den Kooperationspartnern unter die Fittiche genommen.

Als besonderes Bonbon wird Berlin Partner dem besten unter den ersten Bewerbern die Reisekosten erstatten, die die Unternehmen normalerweise selbst tragen müssen. Die Auswahl wird im Rahmen eines Pitchs getroffen, der demnächst stattfinden soll. Wie viele Unternehmen insgesamt fahren können, steht noch nicht fest und wird von der Zahl der Bewerbungen abhängen, sagt Franzke.

Nicht alle fassen erfolgreich in China Fuß

Schon jetzt gibt es Berliner Start-ups, die Verbindungen nach China geknüpft haben. Da ist etwa Edaole, die eine App für Chinesen anbieten, die in Europa shoppen wollen. Schließlich ist es für sie nicht so einfach, sich zurechtzufinden, zumal Englischkenntnisse im Land der Mitte noch nicht so verbreitet sind. Auch bei Wohlheit geht es ums Einkaufen: Das Portal bietet natürliche Produkte für die Gesundheit an. Soundbrenner hat ein vibrierendes Metronom fürs Handgelenk entwickelt, mit dem Musiker den Rhythmus spüren. Die Geräte lassen sich synchronisieren, so dass eine ganze Band leichter im Takt spielen kann. Aufs Marketing mit Hilfe von Apps hat sich das Start-up Applift spezialisiert. Der von den Gründern entwickelte Algorithmus soll die am besten geeignete Werbung treffsicher auf den Bildschirm der Appnutzer bringen. Rubina Real Estate schließlich ist eine Immobilienagentur, die sich bereits auf Messen in China präsentiert hat und ausländische Investoren beim Kauf von Immobilien in Berlin unterstützt, indem sie bei den Formalitäten hilft.

Nicht immer waren die Versuche, in China Fuß zu fassen, von Erfolg gekrönt. So entschied das Berliner Vorzeige-Start-up Lieferheld erst kürzlich, sich aus dem chinesischen Markt zurückzuziehen. Zu heiß gelaufen war der Wettbewerb zwischen den Plattformen für die Bestellung von Mahlzeiten im Internet.

Berlin Partner aber wird die Szene weiter begleiten und im Juni die nächste Stadt in die Start Alliance aufnehmen. Diesmal liegt sie ganz nah – es ist Paris.

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