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Wirtschaft: Unterzuckerte Wirtschaft

Karim ist gereizt, jetzt um 15 Uhr 20, knapp drei Stunden bevor er wieder essen, trinken und rauchen darf. Ich habe nur gefragt, ob es schon einen Termin mit dem potenziellen Investor für unsere Geschäftsidee, Dr.

Karim ist gereizt, jetzt um 15 Uhr 20, knapp drei Stunden bevor er wieder essen, trinken und rauchen darf. Ich habe nur gefragt, ob es schon einen Termin mit dem potenziellen Investor für unsere Geschäftsidee, Dr. Issam, gibt. Er fährt mich an: „Nerv nicht!“ Er sieht noch dünner aus als sonst. Seine Hände spielen nervös mit dem Kugelschreiber, die Augen sind leicht glasig. Fast eine Woche Fasten hat er jetzt hinter sich, und er erklärt entschuldigend: „Die erste der vier Wochen Ramadan ist die schwerste.“ Ich sage lieber nicht, was mir auf der Zunge liegt: „Lieber Karim, für uns Christen in Arabien ist der Ramadan auch nicht leicht!“

So steigt im Fastenmonat die Lebensgefahr im Verkehr. Vorgestern hatte ich den Fehler gemacht, kurz vor dem Fastenbrechen Iftar bei Karim in den Mercedes zu steigen. Wie ein Getriebener raste er über die fünfspurige Schnellstraße, kein Tempolimit, kein Kleinwagen voraus konnte ihn stoppen. Das Schlimme: Tausende auf der selben Straße taten es ihm gleich, unterzuckert, getrieben von Hunger und Durst, den Kochtöpfen entgegen. Die Polizei warnt seit Beginn des Fastenmonats in den Medien: „Rast nicht so zum Iftar!“ Oder die leichte Beklemmung, die uns beim Mittagessen überkommt. Die Eingänge zu den Restaurants sind hinter Bretterwänden versteckt, die Fenster mir Vorhängen verhangen. Essen und Trinken in öffentlich einsehbaren Räumen ist tagsüber verboten. Bei Business-Meetings lehnt man den Kaffee und das Wasser höflich ab, um bei fastenden Gesprächspartnern mit ihren trockenen Mündern keinen Futterneid auszulösen. Die Geschäfte stocken erheblich. Um 16 Uhr machen alle großen Firmen Feierabend – damit die Angestellten rechtzeitig zum Iftar zu Hause sein können. Allerdings fangen die meisten auch ganz spät an mit der Arbeit. Sie waren ja die ganze Nacht wach, um essen zu können.

Karims Handy klingelt, und als er auflegt, ist er nicht mehr schlecht gelaunt. „Wir haben den Termin“, sagt er. „Dr. Issam will uns sehen. Wir sollen zu ihm kommen, gleich heute. Er erwartet uns kurz nach Mitternacht!“ Morgen bin ich wohl auch später im Büro.

Der Autor (45) betreibt eine Medienfirma in Dubai und lebt abwechselnd dort und in Berlin.

ein Geschäftsmann

aus Berlin, erzählt von Arabien

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