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Untreueprozess: Siemens-Angeklagter soll frei bleiben

Der Staatsanwalt plädiert für mildes Urteil gegen Ex-Direktor Reinhard Siekaczek: Die wahren Schuldigen sollen weiter oben sitzen.

Beim Münchner Untreueprozess um schwarze Siemens-Kassen kann der angeklagte Ex-Direktor Reinhard Siekaczek hoffen, dem Gefängnis zu entgehen. Nach seinem Geständnis, in 49 Fällen rund 50 Millionen Euro auf geheime Auslandskonten geschleust zu haben, beantragte die Anklage neben einer Geldzahlung von 180 000 Euro eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Angeklagte habe maßgeblich dazu beigetragen, bei Siemens ein komplexes Schmiergeldsystem zu enthüllen, und sei ungewöhnlich kooperativ gewesen, sagte Staatsanwältin Nora Kaiser im Plädoyer.

Auch Verteidiger Uwe von Saalfeld plädierte auf eine milde Bewährungsstrafe. Sein Mandant habe nur Beihilfe zur Untreue geleistet. Die wahren Schuldigen säßen woanders. Zumindest gewusst habe von den illegalen Praktiken auch die höchste Führungsebene. Sogar aktiv mitgemischt hätten Bereichsvorstände, die frühere zweite Hierarchieebene von Siemens. Sie hätten Siekaczek beauftragt, ein System schwarzer Kassen zu schaffen, das nicht zurückverfolgt werden konnte, und dubiose Zahlungen per Unterschrift abgesegnet. Die Pflichtwidrigkeit, derer sich sein Mandat schuldig gemacht habe, sei Teil des Auftrags von Vorgesetzten gewesen. Von diesem Treiben seien seit 2001 zumindest einzelne Zentralvorstände informiert gewesen, die aber nichts unternommen hätten. „Jemand, der hätte kontrollieren wollen, hätte kontrollieren können“, findet der Verteidiger. Zudem habe sein Mandant den Ermittlern in Form von 39 Aktenordnern eine komplette „Schattenbuchhaltung“ übergeben, die entscheidende Hinweise auf Schwarzgeldsysteme in anderen Siemens-Bereichen geliefert habe. Siemens räumt ein, dass 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanälen geflossen sind. In mehr als der Hälfte der einst zehn Geschäftsbereiche ermitteln die Staatsanwälte; verdächtigt sind 300 Personen, darunter vier Ex-Zentralvorstände.

Beim Strafmaß für Siekaczek müsse man berücksichtigen, dass demnächst wohl hochrangigere Ex-Siemensianer wegen weit größerer Summen vor Gericht kämen, sagte Saalfeld. Wenn sein Mandant hart bestraft würde, welches Strafmaß wäre dann für den ehemaligen Siemens- Chef Heinrich von Pierer oder Ex-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger gerecht, falls sie überführt würden? Siekaczek dürfe kein Bauernopfer werden.

Auch wenn Vorgesetzte nicht eingegriffen hätten, bleibe Siekaczek verantwortlich für sein Tun, beharrte indes die Staatsanwältin – wertete aber als strafmildernd, dass er umfassend ausgepackt hat.

Der Prozess habe der Staatsanwaltschaft die Basis für weitere Ermittlungen und Anklagen geliefert, betonte Staatsanwalt Anton Winkler. Wer künftig vor den Kadi komme und nicht wie Siekaczek helfe, das „System Siemens“ aufzudecken, müsse mit Gefängnisstrafen ohne Bewährung rechnen. Das Urteil über Siekaczek wird kommenden Montag gesprochen. Thomas Magenheim

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