zum Hauptinhalt

Untreueverdacht: Staatsanwalt ermittelt gegen Thyssen-Vorstand

Claassen unter Untreueverdacht wegen Luxusreisen.

Berlin - Die Staatsanwaltschaft Essen hat gegen den Thyssen-Krupp-Vorstand Jürgen Claassen ein Ermittlungsverfahren wegen Untreueverdachts eingeleitet. Dies bestätigte ein Sprecher der Behörde am Montag. Bislang werde der Vorgang nur auf Grundlage von Presseberichten auf seine strafrechtliche Relevanz geprüft, hieß es. Zu weiteren Aktionen sei es noch nicht gekommen.

Der 54-jährige Manager war in die Kritik geraten, weil er auf Kosten des Konzerns Journalisten zu aufwendigen Reisen eingeladen hatte. Zudem soll er sich selbst bei Dienstreisen teure Aufenthalte mit Urlaubscharakter geleistet haben. Nachdem vergangene Woche bekannt geworden war, dass sich die Justiz mit dem Fall befassen werde, hat Claassen den Aufsichtsrat gebeten, ihn von seinen Aufgaben bis auf weiteres zu entbinden. Der Aufsichtsrat will sich am 10. Dezember mit der Angelegenheit beschäftigen. Dass Claassen auf seinen Posten zurückkehren wird, gilt als unwahrscheinlich.

Die Auslandsreisen mit verschiedenen Journalisten führten bis nach China, bei einem Trip nach Südafrika im März vergangenen Jahres war auch ein Tagesspiegel-Redakteur dabei. Schwerer ins Gewicht dürfte ein teurer Aufenthalt in einer Suite des Ritz-Carlton in Miami fallen; Classen hatte sie gemietet, um mit Getreuen die Eröffnung eines Stahlwerks vorzubereiten, und dabei auch Familie mitgenommen. Er besteht nun darauf, private Anteile auch privat bezahlt zu haben. Nach Medienberichten soll er seinem Konzern Flüge und Hotel jedoch komplett in Rechnung gestellt haben.

Die Affäre trifft Thyssen-Krupp in einer schwachen Phase, für das Geschäftsjahr 2012 wird eine katastrophale Bilanz erwartet. Und sie trifft einen der führenden Industriekonzerne des Landes an einer empfindlichen Stelle: Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Claassen, der nach Jahren als Konzernsprecher 2011 in den Vorstand gelangte, war dort für Recht und Compliance verantwortlich – genau jenen Bereich, der verhindern soll, was ihm jetzt vorgeworfen wird. Betroffen ist damit auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der sogleich versicherte, Verstöße seines Vertrauten Claassen gegen das Gesetz oder interne Richtlinien prüfen zu lassen. Cromme war bis 2008 Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und steht besonders im Wort.

Regeln gibt es auch für Reporter, die zu Reisen eingeladen werden. Verboten ist das nicht. Nur muss in Berichten die Finanzierung kenntlich werden, fordert der Pressekodex. Jost Müller-Neuhof

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false