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Wirtschaft: Unversöhnliche Rivalitäten kann Apple sich nicht mehr leisten

Für die Anhänger des Kultunternehmens ist die Zusammenarbeit mit Microsoft ein Kulturschock / Viele Fragen sind noch ungeklärtVON LUDWIG SIEGELE, PALO ALTOAls sich die Anhänger des angeschlagenen Computerkonzerns Apple Anfang des Jahres zu ihrer großen Messe "MacWorld Expo" trafen, waren die Fronten noch klar: Mit Szenen aus dem Sternenkriegsfilm "Independence Day" wurden sie auf die Rede des damaligen Apple-Chefs Gil Amelio eingestimmt.Die Message war klar: Apple muß und wird die Welt vor der übermächtigen Softwareschmiede Microsoft retten.

Für die Anhänger des Kultunternehmens ist die Zusammenarbeit mit Microsoft ein Kulturschock / Viele Fragen sind noch ungeklärtVON LUDWIG SIEGELE, PALO ALTO

Als sich die Anhänger des angeschlagenen Computerkonzerns Apple Anfang des Jahres zu ihrer großen Messe "MacWorld Expo" trafen, waren die Fronten noch klar: Mit Szenen aus dem Sternenkriegsfilm "Independence Day" wurden sie auf die Rede des damaligen Apple-Chefs Gil Amelio eingestimmt.Die Message war klar: Apple muß und wird die Welt vor der übermächtigen Softwareschmiede Microsoft retten. Doch als die amerikanischen Apple-Fans jetzt in Boston zusammenkamen, wurde das Weltbild zerstört: Steve Jobs, erst vor wenigen Monaten als Berater zu dem von ihm gegründeten Unternehmen zurückgekehrt, verkündete nicht nur, daß Apple von nun an gemeinsame Sache mit dem Erzfeind machen werde.Dann erschien auch noch Microsoft-Chef Bill Gates life auf einer großen Videowand, um den Deal zu feiern. Die Reaktion des Publikums in Boston, rund 2000 eingefleischte Apple-Anhänger, war entsprechend: blankes Entsetzen.Den einen verschlug es die Sprache, andere machten ihrem Unmut mit lauten Buhrufen Luft.Jobs sah sich sogar gezwungen, die Wogen zu glätten: "Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, daß Microsoft verlieren muß, damit Apple gewinnen kann.Microsoft verdient etwas Dankbarkeit." Das Geschäft ist tatsächlich das Eingeständnis, daß Apple den Kampf um die Vorherrschaft auf den Festplatten verloren hat: Microsoft investiert 150 Mill.Dollar in seinen angeschlagenen Konkurrenten.Im Gegenzug für die Kapitalspritze läßt der kalifornische Computerkonzern seine langjährige Klage fallen, Microsoft habe mit seinem Betriebssystem "Windows" Patente von Apple verletzt.Außerdem wollen beide Unternehmen gemeinsam Software für Apple-Rechner entwickeln.Neue Versionen des erfolgreichen Programmpakets "Office" von Microsoft sollen auch für den Macintosh-Computer herauskommen. Nach der Rede schnellte der Kurs der Apple-Aktie um fast 40 Prozent auf über 26 Dollar hoch ­ ein Ausschlag, der etwas überrascht.Denn Jobs blieb die Antwort auf die wichtigste Frage weitgehend schuldig: Wie kann das Unternehmen sein Tief überwinden? Nach Angaben des Marktforschers Computer Intelligence trugen im ersten Quartal nur noch 2,9 Prozent aller neuen Personalcomputer das Apple-Logo ­ gegenüber 10,2 Prozent im vergangenen Jahr."Apple muß herausfinden, wo es noch wichtig ist, und sich auf diese Bereiche konzentrieren", erklärte Jobs und nannte vor allem zwei Märkte, in denen Apple traditionell gut vertreten ist: Desktop-Publishing und Bildungswesen.Jobs strich auch eine weitere Stärke des Unternehmens heraus: 20 bis 25 Millionen leidenschaftliche Nutzer des Macintosh-Betriebssystems, das viele von ihnen nach wie vor für besser halten als die Alternative "Windows". Streitpunkte sparte Jobs aber gezielt aus ­ etwa ob Apple sein Betriebssystem weiterhin an Billigproduzenten von Macintosh-Computern lizenzieren wird.Denn Firmen wie Umax oder Power Computing machen Apple inzwischen ernsthafte Konkurrenz.Jobs soll deswegen darauf drängen, sein Unternehmen zumindest bei den leistungsfähigsten Macintosh-Rechnern wieder zum Alleinanbieter zu machen.Unklar blieb auch, ob Apple künftig verstärkt in den Markt für die sogenannten Network Computer (NC) einsteigen wird, jene vielgepriesenen kostengünstigen Einfachrechner, deren Software größtenteils nicht auf der Festplatte sitzen, sondern aus dem Internet kommen soll.Kürzlich hatte die in Sachen Apple gut informierte "New York Times" berichtet, Jobs dränge darauf, netzfähige Billig-Macs ins Produktprogramm aufzunehmen. Weiter offen ist schließlich, wer Apple in Zukunft managen wird.Zwar besetzte Jobs den Verwaltungsrat neu.Neben ihm selbst steigt dort etwa Larry Ellison ein, der Vorstand der Softwareschmiede Oracle.Aber wer die Nachfolge des kürzlich zurückgetretenen Apple-Chefs Gil Amelio antreten soll und welche Rolle Jobs selbst auf Dauer spielen wird, ist noch offen. Dies schien die Apple-Fans auch nach der Jobs-Rede am wenigsten zu interessieren.Sie spekulierten lieber darüber, was denn Microsoft dazu getrieben habe, mit ihrem Kult-Unternehmen zu kooperieren.Man vermutet, daß Microsoft großes Interesse am Überleben von Apple hat.Schon heute ist Microsoft der größte Lieferant von Programmen für den Macintosh und macht damit mehrere hundert Millionen Dollar Umsatz im Jahr.Und die kleine Konkurrenz hilft Bill Gates auch, sich die US-Kartellwächter vom Leibe zu halten: Ohne Apple dürften sie sich noch mehr für Microsoft interessieren, dessen Betriebssystem "Windows" inzwischen mehr als 80 Prozent der PC-Welt beherrscht.

LUDWIG SIEGELE[PALO ALTO]

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