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Wirtschaft: Unvollendete Freiheit

Die nordamerikanische Handelszone Nafta wird zehn Jahre alt / Trotz wirtschaftlicher Erfolge zieht es tausende Mexikaner in die USA

Vor zehn Jahren startete in Amerika ein ehrgeiziges Projekt. Die USA, Kanada und Mexiko schlossen ein Handelsabkommen, das fortan als Paradebeispiel für Globalisierung galt. Der Grund: In dem North American Free Trade Agreement (Nafta) schlossen sich zwei Industrieländer mit einem Schwellenland zusammen. Die Welt konnte nun verfolgen, wem offene Grenzen nützen und ob Mexiko dadurch in eine moderne Wirtschaftsnation verwandelt werden kann.

Die Bilanz des Projektes, das am 1. Januar 1994 startete, ist gemischt. Auf der einen Seite haben ausländische Firmen in Mexiko kräftig investiert und zahlreiche neue Jobs geschaffen. Der Export des Landes verdreifachte sich, die Wirtschaftsleistung stieg um 50 Prozent. Für die USA und Kanada war Mexiko wegen des niedrigen Lohnniveaus vor allem ein attraktiver Produktionsstandort.

Auf der anderen Seite hat die Nafta in den USA ebenso viele Arbeitsplätze vernichtet wie sie in Mexiko geschaffen hat. Die Zahl der illegalen mexikanischen Auswanderer in die USA ist deutlich gestiegen. Ausländische Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten bereits von Mexiko nach China, wo die Löhne fast nur ein Drittel des Niveaus von Mexiko erreichen.

Die Unzulänglichkeiten der Nafta führen die meisten Experten vor allem auf mangelnde politische Reformen und nicht auf den Freihandel selbst zurück. Deshalb sind derzeit zahlreiche weitere Handelsabkommen nach dem Vorbild von Nafta geplant. „Die Nafta ist zum Symbol für die Kräfte der Globalisierung geworden“, sagt Gary Hufbauer vom Institute for International Economics (IIE). „Der Nutzen, den das Handelsabkommen den drei beteiligten Ländern gestiftet hat, übersteigt bei weitem die Schäden.“ Hufbauer hat zusammen mit Jeffrey Schott ein Resümee des nordamerikanischen Handelspakts gezogen, das Mitte nächsten Jahres als Buch veröffentlicht wird. Ergebnis: Das Abkommen habe zu niedrigeren Preisen für Konsumenten und zu besseren Gewinnchancen für Unternehmen geführt.

Allerdings war der wirtschaftliche Aufschwung Mexikos nicht groß genug, um alle Bürger in Lohn und Brot zu bringen. Deshalb wandern jährlich immer noch etwa 300 000 Mexikaner illegal in die USA aus – 1994 waren es „nur“ 200 000. Die Produktivität mexikanischer Fabriken ist zu Beginn der Nafta zwar deutlich gestiegen, mittlerweile aber wieder auf die Wachstumsraten der 80er Jahre zurückgefallen.

Der Fehler der mexikanischen Regierung bestand nach Ansicht von Ökonomen vor allem darin, dass sie dachte, der Freihandel allein würde den Wirtschaftsaufschwung bringen ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern. So sind dringend notwendige Investitionen in das Schulsystem oder die Infrastruktur ausgeblieben. Gerade die unzuverlässige und teure Energieversorgung ist für Investoren ein Hemmschuh.

Die versäumten Investitionen liegen vor allem in der Abwertung des Peso Ende 1994 und der darauffolgenden Bankenkrise begründet. Sie hat den finanzpolitischen Spielraum von Mexiko deutlich eingeschränkt. Ohne Nafta und internationale Hilfszahlungen wäre die Krise jedoch wesentlich schlimmer ausgefallen. So hat Mexiko zahlreiche weitere Handelsabkommen geschlossen, darunter 2000 auch eines mit der EU.

Ein deutliches Minus in der Nafta-Bilanz bildet jedoch die mexikanische Landwirtschaft, in der immer noch fast ein Fünftel der mexikanischen Bevölkerung arbeitet. Sie leidet unter amerikanischen Importen subventionierter Lebensmittel. Eine Studie des Washingtoner Forschungsinstituts Carnegie Endowment for International Peace kommt zu dem Ergebnis, dass in der mexikanischen Landwirtschaft 1,3 Millionen Jobs verloren gingen und damit die 500 000 neu geschaffene Stellen in der Industrie bei weitem übersteigen.

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