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US-Energiepolitik: Grüne Euphorie - auch in Berlin

Deutsche Firmen hoffen auf die Ökostrom-Wende in den USA. Das zeigt sich auch auf den 1. Deutsch-Amerikanischen Energietagen, die zurzeit in Berlin stattfinden. Doch die Wirtschaftskrise verzögert den Boom um mindestens ein Jahr.

Seit Anfang des Jahres ist Scott Minos plötzlich ein gefragter Mann. Als Verantwortlicher für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien im US-Energieministerium führte er unter der Bush-Administration noch ein Schattendasein.

Damit ist es seit dem Amtsantritt von Barack Obama Schluss. "Die Prioritäten haben sich komplett verschoben", sagt Minos, "Obama und der Kongress wollen die Erneuerbaren Energien radikal fördern und den Emissionshandel einführen." Minos schwärmt von "spannenden Zeiten" und "tief greifenden Veränderungen". Und er zeigt sich entschlossen: "Wir dürfen nicht in Ignoranz versumpfen, sondern müssen jetzt die neuen Technologien unterstützen."

Inzwischen hat das Energieministerium auch die finanziellen Möglichkeiten dafür. Obamas gigantisches Konjunkturprogramm sieht insgesamt 16,8 Milliarden Dollar für den Ausbau grüner Technologien und der Energieeffizienz vor. Der Großteil soll in Forschung und Entwicklung fließen, insbesondere in neue, leistungsfähigere Batterien, mit denen sich der schwankende Ökostrom speichern lässt.

Die milliardenschwere Unterstützung für Ökostrom ist nur ein Zeichen für die radikale Wende in der amerikanischen Energiepolitik. Es wird damit gerechnet, dass die Demokraten im Kongress bald einen Gesetzentwurf zu einem bundesweiten "Cap and Trade"-System präsentieren, also zum Emissionshandel wie in Europa. Kommt er durch, dürften Unternehmen nur noch eine bestimmte Menge des Klimagases Kohlendioxid emittieren und müssten dafür Rechte kaufen. Die amerikanischen Pläne sollen sogar noch radikaler ausfallen, als Umweltschützer bislang zu hoffen wagten - auch, wenn bestimmte Branchen mit Ausnahmen rechnen dürfen.

Sogar ein Erneuerbare-Energien-Gesetz nach deutschem Vorbild mit festen Einspeisevergütungen ist inzwischen im Washington in Gespräch. Ähnlich wie das deutsche Regelwerk, das Privatleuten und Unternehmen lukrative Vergütungen für jede ins Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde Ökostrom garantiert, wollen auch die USA einen "feed-in-tarif" entwickeln. Noch aber hat keiner der Bundesstaaten eine solche Regelung eingeführt - geschweige denn, dass es ein entsprechendes Bundesgesetz gibt. "Das prüfen wir ernsthaft", sagt Minos.

In Deutschland sorgen solchen Ansagen für eine erste Euphorie, das zeigt sich auch auf den 1. Deutsch-Amerikanischen Energietagen, die zurzeit in Berlin stattfinden. Die US-Regierung lädt ausdrücklich deutsche Unternehmen ein, in Amerika Standorte zu eröffnen und mit US-Firmen zu kooperieren. "Wir sind sehr an den deutschen Erfahrungen mit erneuerbaren Energien interessiert", sagt US-Botschafter John Koenig.

Auf deutscher Seite freut man sich über den neuen Ton - und über den angekündigten Geldsegen. Im Bundeswirtschaftsministerium soll eine eigene Steuerungsgruppe die grüne Kooperation mit den USA koordinieren, auch, damit Deutschland seine Spitzenposition bei den Öko-Energien verteidigt. "Erneuerbare Energien sind kein Badeschlappen-Thema mehr", sagt Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), "sie sind industriepolitisch von hoher Bedeutung."

Seit Jahren fördert sein Ministerium explizit den Verkauf von Umwelttechnologien ins Ausland. Mit Erfolg. Der Exportanteil grüner Technologien aus Deutschland liegt nach Berechnungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie inzwischen bei 16 Prozent, höher als in anderen Branchen.

Der Solarzellen-Hersteller Solarworld ist eine der Firmen, die konsequent auf den amerikanischen Markt setzen. Erst vergangenes Jahr haben die Bonner in Hollsboro/Oregon eine Fabrik mit einer Kapazität von 100 Megawatt in Betrieb genommen - nach eigenen Angaben die größte Produktion in den USA. Neben Solarworld sind bereits mehr als 20 deutsche Solarunternehmen in den USA tätig.

Experten rechnen allerdings damit, dass auch die Ökostrom-Firmen in diesem Jahr unter der Wirtschaftskrise leiden werden. 2009 werde für die gesamte Branche ein hartes Jahr, prophezeit Michael Eckhart, Präsident des Amerikanischen Rates für Erneuerbare Energien. Es werde noch einige Monate dauern, bis die Regierungsanreize tatsächlich durchschlagen - und zwar auch, weil die Finanzierungsmöglichkeiten für Umwelttechnologie-Hersteller schwierig geworden sind.

Amerikanische Banken hatten in der Vergangenheit das so genannte "tax equity financing" genutzt, eine Möglichkeit des amerikanischen Steuerrechts, um im großen Stil in Ökostrom-Firmen zu investieren. Vereinfacht gesagt, hatten sie etwa Windpark-Entwicklern oder Solarunternehmen Steuervergünstigungen abgekauft, um selbst ihre Gewinne niedriger versteuern zu können. Weil dieses Geschäftsmodell in Zeiten, in denen Banken milliardenschwere Verluste anhäufen, kaum noch interessant ist, verlieren grüne Firmen einen wichtigen Finanzierungsweg. Und auch Risiko-Kapitalgeber halten, ähnlich wie in Deutschland, ihren Geldbeutel fest verschlossen. "2009 wird der Markt für erneuerbare Energien schrumpfen", sagt Eckhart, "aber dann kommt der Boom."

Marlies Uken

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