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US-Finanzkrise: EU warnt vor Risiken für die Konjunktur

In Europa wachsen die Sorgen um ein Übergreifen der Finanzkrise auf die Konjunktur. US-Notenbankchef Bernanke sprach mit Bundeskanzlerin Merkel über mögliche Gegenmaßnahmen.

Berlin/Brüssel - In Europa wachsen die Sorgen um ein Übergreifen der Finanzkrise auf die Konjunktur. Die EU-Kommission in Brüssel warnte am Dienstag, die Turbulenzen an den Finanzmärkten könnten auf längere Sicht auch für Unternehmen und Verbraucher Kredite verteuern und damit das Wachstum bremsen. „Wenn das Vertrauen nicht wiedergewonnen wird bei den Marktteilnehmern, könnte das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern sinken - das ist das größte Risiko“, sagte EU-Währungskommissar Joaquin Almunia in Brüssel. Für Schlussfolgerungen sei es aber zu früh.

Noch bleibt die EU-Kommission bei ihrer positiven Einschätzung der Konjunktur in Europa. Sie schwächte ihre Wachstumsprognose nur leicht ab und erwartet für 2007 im Euro-Raum nun insgesamt ein Wachstum von 2,5 Prozent nach 2,6 Prozent in der Frühjahrsprognose. Für Deutschland sagt die Behörde noch 2,4 (zuvor 2,5) Prozent voraus. „Die soliden Grundlagen der europäischen Wirtschaft werden dabei helfen, die Turbulenzen zu überstehen“, sagte Kommissar Almunia.

Die vom amerikanischen Immobiliensektor ausgehende Krise ist derzeit nicht nur das wichtigste Thema an den Finanzmärkten, auch die Politik beschäftigt sich an höchster Stelle mit den Folgen. Am Dienstagnachmittag traf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin mit dem amerikanischen Notenbankchef Ben Bernanke zusammen, um über mögliche Maßnahmen zur Eindämmung der Krise zu sprechen. Anschließend wollte Bernanke am Abend bei einer Bundesbank-Veranstaltung in Berlin über die aktuelle Lage sprechen.

Auch der Finanzausschuss des Bundestages befasste sich in einer nichtöffentlichen Sitzung mit dem Thema. Dabei soll es vor allem um die Rolle der Bankenaufsicht bei den Beinahe-Pleiten der Mittelstandsbank IKB und der SachsenLB gegangen sein. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte am Dienstagmorgen im Bundestag erneut vor voreiligen Konsequenzen aus der Krise. Er gebe „nichts zu überstürzen“, sagte Steinbrück . „Keine Frage: Was wir dort erleben, ist sehr ernst zu nehmen“. Die Lage sollte aber nicht dramatisiert werden. Der deutsche Finanzmarkt habe genug Reserven, um die Spannungen zu überstehen. Auch um die deutsche Konjunktur stehe es nach wie vor gut.

Dieser Ansicht ist auch der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA). Er rechnet damit, dass die deutschen Exporte im laufenden Jahr um zehn Prozent und im nächsten um neun Prozent zulegen, sagte BGA-Chef Anton Börner. 2008 werde der Wert der exportierten Waren 1075 Milliarden Euro und damit erstmals die Schwelle von einer Billion überschreiten. Die Auswirkungen der US-Hypothekenkrise auf die Außenhandelszahlen hätten sich bisher nicht messbar niedergeschlagen, sagte Börner. Man rechne damit, dass die Notenbanken die Lage bis Mitte Oktober oder November in den Griff bekämen. Sollte die Immobilienkrise in einer zweiten Welle allerdings Kreditkarten oder Autofinanzierungen erreichen, würde es schwieriger. „Dann können wir alle Wachstumsprognosen vergessen“, sagte Börner.

Am Dienstag entspannte sich die Lage am Geldmarkt, wo zuletzt immer Engpässe entstanden waren, weil sich die Banken gegenseitig kein Geld mehr leihen wollten. Mehrmals hatten die Notenbanken in Europa und denUSA mit kurzfristigen Geldspritzen aushelfen müssen. Nun zog die Europäische Zentralbank (EZB) einen Teil dieses Geldes wieder ein. In einem Schnelltender bot sie den Banken am Dienstag an, 60 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von 4,0 Prozent zurückzunehmen. Damit reagiert die EZB auf zuletzt wieder fallende Zinssätze auf dem Geldmarkt.

Experten rechnen damit, dass die Notenbanken in den kommenden Tagen trotzdem noch einmal mit frischem Geld einspringen müssen, weil viele kurzfristige Schuldverschreibungen von Banken und Unternehmen fällig werden, die wegen des fehlenden Vertrauens wohl nicht neu aufgelegt werden können.

Stefan Kaiser

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