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US-Konjunktur: Milliarden zur Rettung der Wirtschaft

Erst Fannie Mae und Freddy Mac, nun die Lehmann Brothers. Immer mehr Banken hängen am Subventions-Tropf der US-Regierung. Doch nicht nur Banken profitieren.

New York - Wer sich für das Amt des amerikanischen Präsidenten bewirbt, darf zwei unumstößliche Regeln nicht missachten: Er muss sich als Verteidiger der freien Welt anbieten und als Verfechter für die freien Kräfte des Marktes. So machen das Barack Obama und John McCain, so tat es einst George W. Bush. Doch wenn man erst im Amt ist, sieht die Sache oft ganz anders aus. Seit die amerikanische Wirtschaft vor einigen Monaten ernsthaft ins Stocken geriet, greift die Bush-Regierung kräftig in die Staatskasse, um zu retten, was noch zu retten ist. Jüngste Beispiele sind eine kräftige Subvention für die schwer angeschlagene Autoindustrie, die seit Freitag im Kongress verhandelt wird, sowie die ständigen Rettungsaktionen für strauchelnde Banken.

Zuerst war da die Konjunkturspritze, die Bush sich rund 150 Milliarden Dollar kosten ließ. Seit Mai schicken die Steuerbehörden Gutschriften in Höhe von 300 Dollar für Einzelpersonen oder 600 Dollar für Haushalte raus, bislang mit wenig Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Im März rettete die Notenbank Fed dann die vor der Pleite stehende Investmentbank Bear Sterns. Geschätzte Kosten für den Steuerzahler: 30 Milliarden Dollar. Im Frühsommer beschloss der Kongress Hilfe für die notleidenden Hausbesitzer, von denen seit Platzen der Immobilienblase rund zwei Millionen ihre Anwesen zwangsversteigern mussten. Washington erhöhte die staatliche Garantie für Hypotheken und bietet rund 400 000 Hausbesitzern unter bestimmten Bedingungen die Umfinanzierung ihrer Kredite an. Um das Programm zu schultern, wurden im Staatshaushalt 300 Milliarden Dollar zur Seite legt.

Die am Sonntag beschlossene Verstaatlichung der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac wird den amerikanischen Steuerzahler ebenfalls Milliarden kosten. Die Institute haben Kredite und Schuldverschreibungen im Wert von mehr als fünf Billionen Dollar angehäuft, das entspricht etwa dem Doppelten des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Finanzminister Henry Paulson, früher Chef der mächtigen Investmentbank Goldman Sachs, machte keine Angaben darüber, wie viel die Rettungsaktion kosten wird. Das Congressional Budget Office ging vor zwei Monaten davon aus, dass rund 25 Milliarden Dollar aus dem Staatshaushalt für die beiden Hypothekenbanken aufgewendet werden müssten. Diese Schätzung gilt inzwischen als sehr optimistisch.

Jetzt steht möglicherweise die Rettung der schwer angeschlagenen US-Hypothekenbank Lehman an. Lehman Brothers hatte am Mittwoch einen Quartalsverlust von 3,9 Milliarden Dollar bekanntgegeben. Das 1850 von deutschen Einwanderern gegründete Traditionshaus braucht dringend Kapital, um Verluste aus faulen Immobilienkrediten auszugleichen. Noch sperren sich Regierung und Federal Reserve laut Beobachtern noch gegen erneute teure Staatshilfen. Aber auf dem freien Markt ließ sich bisher kein Käufer für das Institut finden. Immerhin hat Washington Hilfe bei der Suche nach einem Käufer signalisiert. Die „Washington Post“ berichtete unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Kreise, die US-Regierung wolle einen Verkauf von Lehman Brothers vermitteln. Das Finanzministerium und die US-Notenbank fädelten ein Geschäft mit einem Konsortium privater Firmen ein. Die Transaktion solle noch am kommenden Wochenende bekanntgegeben werden. Ein anderer Informant erklärte allerdings, Lehman wehre sich gegen eine staatliche Einmischung. Als Favorit wird nun die Bank of America gehandelt.

Unter den Wettbewerbern Goldman Sachs, Morgan Stanley und Merrill Lynch herrscht alles andere als Schadenfreude. Mit Lehman würde schon die zweite der fünf großen unabhängigen US-Investmentbanken der Krise zum Opfer fallen. Das einst als Quelle satter Milliardengewinne gefeierte US-Modell der im Vergleich zu Geschäftsbanken wenig regulierten Investmenthäuser steht damit schwer in der Kritik.

Vor diesem Hintergrund taten sich die Vertreter der amerikanischen Autoindustrie in dieser Woche schwer, den Kongress um noch mehr Geld zu bitten. Im Zuge eines umfassenden Energiegesetzes soll ihnen ein 25 Milliarden Dollar schwere staatliches Kreditprogramm dabei helfen, ihre Flotte umweltfreundlicher zu gestalten. Die Autobauer hätten allerdings gerne die doppelte Summe zu den Sonderkonditionen. General Motors-Chef Richard Wagoner stellte am Freitag dem Senat einen Zehn-Punkte-Plan vor, mit dem die Firmen den Bezinverbrauch ihrer Flotte um 40 Prozent senken wollen. Der staatliche Kredit mit einer einstelligen Zinsrate helfe, die technologische Entwicklung zu beschleunigen, sagte Chryslers Vize-Präsident James Press vor einigen Tagen, „und sie wird schneller in die Hände der Leute gelangen und erschwinglicher sein“. Weil die Ratingagenturen die schlecht beleumundeten amerikanischen Autobauer runterstufte, können die Geld auf dem freien Markt derzeit nur noch zu Zinssätzen um die 20 Prozent leihen. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres verkaufte GM 18 Prozent weniger Autos, Ford 16 Prozent weniger und Chrysler 24 Prozent weniger. Der demokratische Senator und Vorsitzende des Energieausschusses Jeff Bingaman sagte, er sehe Sympathie, um das Kreditprogramm für die Autobauer auf 50 Milliarden Dollar aufstocken: „Es gibt gute Gründe dafür, den Autobauern beim Umbau zu helfen.“

Die aktuellen Präsidentschaftskandidaten müssen die Entwicklung mit der Sorge betrachten, dass ihnen am Ende wenig Geld bleibt, um ihre eigenen Programme und Steuerpläne umzusetzen, wenn sie erst ins Weiße Haus einziehen. Das parteiunabhängige Tax Policy Center (TPC) hat ausgerechnet, dass Obamas Steuersenkungen 2,8 Billionen Dollar kosten würden , McCains 4,2 Billionen Dollar. Sollte der Demokrat sich durchsetzen, schnellte die Staatsverschuldung nach Berechnung des TPC um 3,4 Millionen Dollar in die Höhe, gewinne der Republikaner, entstünde eine Lücke in Höhe von fünf Billionen Dollar.

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