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Wirtschaft: US-Konzerne mögen russisches Öl nicht

Die amerikanische Regierung fordert von Unternehmen Investitionen, um unabhängiger vom Nahen Osten zu werden

Von A. Brrionuevo, T. Herrick und J. Whalen

Trotz der Bemühungen von US-Präsident George W. Bush, der auf russisches Öl als Alternative zu dem aus Nahost setzt, zögern die amerikanischen Unternehmen, dort zu investieren. Das gilt besonders, seitdem Russland gravierende praktische Probleme hat, sein Öl außer Landes und auf die Märkte zu bekommen.

Auf einer von der US-Regierung unterstützten amerikanisch-russischen Energie-Konferenz, die in der vergangenen Woche stattfand, haben Manager der amerikanischen Ölkonzerne Conoco-Phillips und Chevron-Texaco klargestellt, dass sie erst dann zu weiteren Investitionen in Russland, einem der größten Ölproduzenten der Welt, bereit sind, wenn sie vor unerwarteten Änderungen der Steuergesetze und der Rahmenbedingungen sicher seien. „Verlässliche Partner legen klare Grundregeln fest“, sagte Peter Roberison, Vizepräsident von Chevron-Texaco, in seiner Rede am Baker-Institut der Rice Universität, wo die Konferenz stattfand. „Keine versteckte Tagesordnung, keine wechselnden Standards.“ Hinzu kommt das praktische Problem, an das russische Öl zu gelangen.

Supertanker, die das Öl vom Schwarzen Meer abtransportieren können, finden im Bosporus nur mühsam Platz, so dass kleinere Schiffe bevorzugt eingesetzt werden. Eine Pipeline vom aserbaidschanischen Baku am Kaspischen Meer nach Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste wird frühestens in fünf Jahren fertig gestellt.

Die Regierung Bush ist sich über die politische Instabilität im Nahen Osten im Klaren und hält deshalb für die Ölversorgung eine amerikanisch-russische Energiepartnerschaft für unerlässlich. „Darin liegt die Zukunft“, erklärte Handelsminister Donald Evans anlässlich der Konferenz in Houston. Nach Angaben russischer Unternehmen, deren Produktion in den vergangenen zwei Jahren um über 20 Prozent gestiegen ist, reicht ihr eigenes Geld aus, um die russische Förderung von täglich 7,7 Millionen Barrel in näherer Zukunft um etwa acht Prozent jährlich zu steigern. Russland exportiert etwa 4,7 Millionen Barrel Öl täglich, was etwa 20 Prozent des US-Verbrauchs entspricht.

Aber der russische Energieminister Igor Yusufov erklärte, dass in den kommenden Jahren in die russische Ölindustrie eine Milliarde Dollar (1,02 Milliarde Euro) pro Jahr investiert werden müsse, um die Produktion auf täglich acht Millionen Barrel zu erhöhen; ohne die Investitionen ausländischer Unternehmen könne das derzeitige Wachstum möglicherweise nicht länger als ein paar Jahre aufrechterhalten werden.

Während europäische Ölproduzenten wie BP und Totalfina Elf im letzten Jahr aggressiver vorgingen und in neue Projekte investierten, sind die meisten US-Unternehmen in Russland noch nicht im Spiel. „Der Wunsch, bedeutende Langzeit-Investitionen in Russland zu tätigen, war nie größer“, erklärt Archie Dunham, Präsident von Conoco-Philipps. „Aber wegen der ungewissen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist es nicht gelungen, Investitionen ökonomisch attraktiv zu machen.“ Dunham zufolge liegen in Russland wegen ausstehender Gesetze 28 ausländische Ölprojekte auf Eis. Der amerikanische Ölproduzent ExxonMobil ist einer der wenigen Konzerne, der mit einer Genehmigung rechnen kann. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen in ein Projekt vor der Küste der Insel Sachalin im äußersten Osten Russlands investiert, das zwölf Milliarden Dollar schwer sein soll.

Doch die Sorge vor ausländischem Wettbewerb hat den russischen Gesetzgeber davon abgehalten, Gesetze zu verabschieden, die Voraussetzung für eine gemeinsame Förderung sind. Im Juni hat er endlich seine vorläufige Zustimmung zu einem wichtigen Steuergesetz gegeben, aber weitere Gesetze sind erforderlich.

Doch selbst wenn russisches Öl in die USA fließen würde, wären die amerikanischen Ölraffinerien nicht in der Lage, es zu verarbeiten. Die meisten Investitionen sind in den vergangenen zehn Jahren dazu verwendet worden, amerikanische Anlagen aufzurüsten, damit diese die schweren „sauren“ Mischungen aus Venezuela und Mexiko verarbeiten können, nicht die leichte „saure“ Variante, die in Russland vorkommt. Diese Mischung hat einen hohen Schwefelgehalt.

Das Weiße Haus und der Kreml wollen dennoch eine stärkere Partnerschaft anstreben. „Wir in den USA haben uns jetzt mit dem Gedanken abgefunden, teilweise von russischem Öl abhängig zu sein“, sagt James F. Collins, der frühere amerikanische Botschafter in Russland. „Das war vor zehn Jahren noch undenkbar.“

Übersetzt und gekürzt von Tina Specht (CIA), Svenja Weidenfeld (Russland), Karen Wientgen (Chirac), Matthias Petermann (US-Airlines) und Christian Frobenius (US-Wahlen).

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