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Wirtschaft: US-Notenbankchef Alan Greenspan und sein Vorgänger Paul A. Volcker gehen auf Distanz zu Aktien

Notenbankchefs müssen nicht unbedingt Männer mit Rauschebärten sein. Aber in der Regel sind sie reiferen Alters.

Notenbankchefs müssen nicht unbedingt Männer mit Rauschebärten sein. Aber in der Regel sind sie reiferen Alters. Alan Greenspan, der "Chairman" des "Board of Governors of the Federal Reserve System" - so sein offizieller Titel - ist 73, sein Vorgänger Paul A. Volcker zählt 72 Jahre. Beide mischen sich in einem Alter, in dem sie schon ihre Pension verzehren könnten, auf eine Weise ins Wertpapiergeschäft ein, dass den Jüngeren die Haare zu Berge stehen.

Unvergessen ist Greenspans Warnung vor einer allzu gläubigen Verehrung von Aktien und vor überzogenen Kursen an Wall Street. Das war im Dezember 1996, als der Dow-Jones-Index bei 6600 stand.

Jedermann weiß, dass das Aktienbarometer in den drei Jahren nach Greenspans Warnung auf über 11 000 kletterte, was den Prognosefähigkeiten des amtierenden Fed-Chefs ein schwaches Zeugnis ausstellt. Greenspan handelt indessen selbst nach seinen Vorgaben: Er meidet in seinen persönlichen Vermögensdispositionen Aktien, um Interessenkonflikten aus dem Wege zu gehen. Denn gerade als Notenbankchef kann er mit seiner Zinspolitik die Märkte, insbesondere die Aktienkurse, beeinflussen - wie sich regelmäßig zeigt, wenn der geldpolitische Ausschuss der Notenbank unter seinem Vorsitz getagt hat. Noch jüngst hat Notenbankchef Greenspan vor einer Überbewertung von Aktien und Immobilien gewarnt. Auf einer Konferenz der Kansas City Federal Reserve Bank sagte der Fed-Chef, die steigenden Preise von Sachwerten hätten für die US-Wirtschaft eine zunehmende Verletzbarkeit gegen plötzliche, große Einbußen bei Vermögenswerten geschaffen.

Die Verletzlichkeit der Wirtschaft hänge auch davon ab, wie viele Schulden die Anleger und Unternehmen aufgenommen hätten, um Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Immobilien und andere Sachwerte zu kaufen. Ein plötzlicher Preiseinbruch würde diese hohen Schulden zu einer zusätzlichen Last machen. Die Notenbank werde nicht auf marginale Schwankungen der Preise reagieren. Aber sie könnte bei kräftigen Preisabschlägen eingreifen, um die amerikanische Wirtschaft vor nennenswerten Schäden zu bewahren.

Jetzt hat Greenspans Amtsvorgänger, der international nicht minder respektierte Paul A. Volcker, seine Stimme zum exakt gleichen Problem erhoben: zu der Einschätzung von Aktien und zum gegenwärtigen Kursniveau an den Börsen. Er sei, vertraute Volcker einem Fernseh-Interviewer an, etwas beunruhigt über die augenblicklichen Kurse. Jüngere Anleger hätten keine klaren Perspektiven, was wohl heißen soll: Ihnen mangelt es an Erfahrung. Volcker: "Wenn man zu jüngeren Menschen spricht, bedrückt es mich, dass sie glauben, das gegenwärtige Kursniveau sei normal."

Der Schluss, der sich aus Volckers Worten ziehen lässt: Das heutige Kursniveau ist nicht normal - also: Lasst die Finger von Aktien! Der ehemalige Fed-Chef hatte zur Bekämpfung der Inflation Anfang der achtziger Jahre die Zinsen auf zweistellige Raten angehoben, was den Aktienkursen damals verständlicherweise nicht gut bekam.

Zwei Notenbankchefs, eine Meinung. Greenspan und Volcker widersprechen kräftig dem Zeitgeist an den Börsen. Gewiss sind die beiden Herren, wie ihre sonstigen intellektuellen Äußerungen zeigen, noch nicht verkalkt. Nur ob sie die Meinung der Jugend über Aktien richtig verstanden haben, werden eben diese Jüngeren wohl bezweifeln.

Das gehört indessen zur Börse: Dass Investoren unterschiedlichen Alters auch unterschiedlicher Meinung sind. Denn sonst könnten positiv gestimmte Anleger keine Aktien kaufen. Die würden schließlich nicht von negativ eingestellten Investoren abgegeben.

Dietrich Zwätz

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