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Wirtschaft: Verbände werfen Regierung Mutlosigkeit vor

Kritik an geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen / Ökonomen fordern Kürzungen bei Beamten

Berlin (pet/ce/uwe/asi). Die Steuer und Abgabenpläne der Regierungskoalition sind auf breiten Widerstand in der Wirtschaft und bei Verbänden gestoßen. Während die Gewerkschaften die Koalitionsvereinbarungen als sozial gerecht begrüßten, wandten sich die Wirtschaftsverbände und der Bund der Steuerzahler entschieden gegen die geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen für Unternehmen, Aktienbesitzer und Besserverdienende. Unter anderem kritisieren die Verbände, dass der öffentliche Dienst als nahezu einzige Gruppe ohne Einsparungen auskommt.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisiert die „erschreckende Mutlosigkeit der Koalition schon zu Beginn ihrer Amtszeit“. BDA-Steuerexperte Ottheinrich von Weitershausen sagte, dass die Pläne „junge, kreative und tüchtige Menschen noch eher ins Ausland treiben“. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisiert die „Wachstumsbremsen“ für die Wirtschaft. Die Mindestbesteuerung von Unternehmen sei möglicherweise sogar verfassungswidrig. BDA und Deutscher Industrie- und Handelskammertag wehren sich dagegen, dass die Regierung die Steuern erhöhe, nicht aber ihren eigenen Konsum einschränke. Das beziehe sich auch auf den öffentlichen Dienst.

Auch Wirtschaftsforscher kritisieren das Ungleichgewicht bei der künftigen Belastung von Beamten und Angestellten. „Es kann nicht sein, dass Beamte besser gestellt sind als Angestellte“, sagte Dieter Vesper, Haushaltsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In den Koalitionsverhandlungen war unter anderem beschlossen worden, die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung anzuheben. Das trifft ausschließlich Angestellte. Die ursprüngliche Koalitionsforderung der Grünen, das Weihnachtsgeld bei Beamtenpensionen zu streichen, ist dagegen in den Plänen nicht mehr enthalten.

Nach Ansicht von Konjunkturexperte Vesper muss diese Ungleichbehandlung zum Thema der nächsten Tarifrunde im öffentlichen Dienst gemacht werden, die am 15. November beginnt. „Da wird man auch von Beamten Zugeständnisse verlangen müssen“, sagte Vesper. Vorstellbar sei etwa, die Tariferhöhungen bei Beamten erst mit einigen Monaten Verzögerung wirksam werden zu lassen, um dadurch Steuergelder zu sparen.

Auch der Finanzexperte am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, Hans Dietrich von Loeffelholz, fordert Zugeständnisse der Beamten: „Man könnte überlegen, Gehaltssteigerungen um ein halbes oder sogar ein Jahr verzögert umzusetzen, also eine Nullrunde zu machen“, sagte er. Von Loeffelholz hält es auch für sinnvoll, über eine Kürzung des 13. Monatsgehalts bei Beamtengehältern nachzudenken. Bei einer Gesamtzahl von 1,5 Millionen Beamten in Deutschland könnten die öffentlichen Kassen bei einer Kürzung um 20 Prozent jährlich eine Milliarde Euro einsparen, rechnet von Loeffelholz vor. Eine solche moderate Kürzung wäre seiner Meinung nach auch konjunkturell verkraftbar, weil sie die Kaufkraft nicht übermäßig schwäche.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, fordert, das Weihnachtsgeld bei den Beamtenpensionen ganz zu streichen. Das Weihnachtsgeld für Pensionäre sei „völlig ungerechtfertigt“, sagte Däke. Er warf der Regierungskoalition vor, die Personalkosten in den Verhandlungen überhaupt nicht angerührt zu haben. „Ich bin entsetzt, dass die Regierung von einem Sparpaket spricht, echte Einsparungen kann ich nicht erkennen“, sagte er. Statt zu sparen, werde der Bund die geplante Neuverschuldung von 15,5 Milliarden Euro im Jahr 2003 um 2,6 Milliarden erhöhen. Damit wachse die künftige Zinsbelastung des Bundes um jährlich rund 143 Millionen Euro.

Metzger: „Das ist Lafontaine“

Auch der ehemalige haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Oswald Metzger, hat den Koalitionsvertrag von SPD und Grünen scharf kritisiert. Das Ergebnis der Verhandlungen sei geprägt von „ökonomischem Unsinn“ und „trägt die Handschrift von Oskar Lafontaine“, sagte Metzger dem Tagesspiegel. Statt die Konsumlust der Bevölkerung zu erhöhen und damit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, sei der Faktor Arbeit von der Bundesregierung weiter verteuert worden. Insbesondere die Erhöhung der Rentenbeiträge für Besserverdienende sei „das Gegenteil von dem, was Rot-Grün versprochen hat“.

Metzger kritisierte, dass es der Koalition „in keinem einzigen Punkt“ gelungen sei, nachhaltige Politik zu betreiben. Statt zu sparen seien die Einnahmen aus Steuern und Schulden erhöht worden. Dies sei „die Mitte-Links-Politik der siebziger Jahre“.

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