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Bildschirm und Computer in einem. Die Idee hatte schon der Apple iMac in den neunziger Jahren. Beim Sony Vaio Tab 20 stellt sich allerdings die Sinnfrage.

© Hersteller

Sony Vaio Tab 20 im Test: Dickchen macht mobil

Ein Tablet im 20-Zoll-Format ist eine ganz eigenwillige Idee. Groß wie ein Desktoprechner, aber zum Einklappen und Herumtragen konstruiert will das Sony Vaio Tab auch Tablet sein. Klappt der Spagat und für wen lohnt sich das?

Erinnern Sie sich noch an die Apple-Computer aus den späten neunziger Jahren? Ja, genau. Diese runden, bunten, kugeligen Dinger, die weder besonders schnell noch besonders schick waren, aber irgendwie einen Knutschfaktor als Bonus mitbrachten. Von den iMac G3 oder iBooks ist die Rede und sie stammen aus einer Zeit, als Apple zwar ein deutlich besseres und stabileres Betriebssystem als Microsoft hatte, aber in Sachen Hardware den Anschluss verlor. Das war vor der Ära der Intel-Prozessoren unter der Apfel-Haube. Und die bunten Dinger hatten auch kaum etwas von dem stilsicheren Coolnessfaktor, den die iMac G4 ab 2002 mitbrachten.

Als das Sony Vaio Tap 20 bei uns in der Redaktion eintraf fühlte sich der Autor sehr an diese Generation iMacs erinnert. Aus dem riesigen Karton schält sich ein Bildschirm im Format von 20 Zoll Diagonale. Irgendwie Tablet, aber auch irgendwie auch wie mit Luftpumpe aufgebläht. Hinterher kommen Bluetooth- Maus und eine ebensolche Tastatur. Auch ein Akku findet sich in dem Paket. Alles zusammengesetzt ergibt sich ein, ja was eigentlich?
Das Sony Vaio Tab ist ein Mischung aus Desktoprechner und Tablet-PC. Bei letzterem ist PC wörtlich zu nehmen, denn im Gegensatz zu konventionellen Tablets, die mit Nvidia Tegra oder Intel Atom zu Werke gehen, arbeitet hier ein waschechter Intel i5 mit 1,7 Gigahertz Taktung. Auch die ein Terabyte große SATA-Platte und der Arbeitsspeicher von sechs Gigabyte sind klare Hinweise auf einen waschechten PC. Auch ansonsten ist die Ausstattung ganz ordentlich. Zwei USB-Ports im 3.0-Standard, Bluetooth 4.0, Gigabit-LAN und Zweifach-Kartenleser sind verbaut.

Dank Windows 8 und Touchscreen-Display ist das Vaio Tab mit seinem 20 Zoll (50,8 Zentimeter) großen Bildschirm aber eben auch Tablet. Das Gerät lässt sich dank des an der Rückseite montierten Ständers hinstellen, kann aber auch gut auf dem Tisch liegend bedient werden. Bis zu zehn Finger erkennt das Display und eignet sich so auch für Spiele zu zweit oder besondere Apps, wie zum Beispiel das Klavier als Anwendung. Die Kacheln des neuen Betriebssystems von Microsoft machen auf dem riesigen Display wirklich Spaß. Das Sony Vaio Tab ist zwar schon letztes Jahr zur Ifa vorgestellt worden, aber das Gerät verrät schnell, dass es zielgerichtet auf Windows 8 hin entwickelt wurde. Es kam schließlich auch erst nach dem Start des neue Betriebssystems von Microsoft Ende Oktober auf den Markt.

Ist der Spieltrieb aber erst mal befriedigt, dann stellt sich auch bald Ernüchterung ein. Denn das Vaio Tab 20 ist nicht Fisch und nicht Fleisch in nahezu jeder Beziehung. Zu einem Desktop-PC fehlt es an einem optischen Laufwerk und an Leistung. Zwar lässt sich das Gerät mit Tastatur und Maus ordentlich bedienen. Aber ein Performance-Highlight ist der Grafikchip Intel HD Graphics 400 nicht. Kein Wunder, denn er kommt eigentlich eher aus der Notebookwelt oder findet sich sonst in günstigeren Rechnern. Sechs Gigabyte Arbeitsspeicher sind auch eher unter dem Durchschnitt. Die Frage, was es bringen soll bei einem Windows-8-Rechner nun bei ganz normalen Arbeitsanwendungen auf dem Bildschirm herumzutatschen, konnte bisher auch niemand so richtig zufriedenstellend beantworten. Aber das soll jetzt nicht speziell dem Sony Vaio Tab 20 vorgeworfen werden. Das ist die Kardinalfrage an Windows 8 selbst.

Zu einem Tablet reicht es dann aber auch nicht. Denn das Sony Vaio Tab 20 wiegt satte fünf Kilogramm. Es findet sich kaum ein Notebook, das so schwer ist. Zum Vergleich: Ein iPad 3 wiegt 700 Gramm. Im Bett oder auf dem Sofa mit dem Vaio Tab zu surfen, eine typische Anwendung für Tablets, verursacht schon nach einer Minute leichte Atemnot und nach fünf Minuten selbst bei gut trainierten Bauchmuskeln Durchblutungsstopp ab der Hüfte. Und die Größe ist zwar schön in der Bedienung am Tisch. Aber auch nur, wenn es sich um einen Couchtisch handelt. Sonst werden drei Kissen auf dem Stuhl benötigt, weil die Inhalte auf dem Display sonst schlecht zu erkennen sind. Auf den Knien wiederum wirkt das Ganze schlicht etwas überdimensioniert. Man gewöhnt sich zwar schnell daran, aber die langen Wischwege trocknen dann auch bald die Fingerkuppen aus.

Nicht ganz verständlich ist außerdem, dass Sony dem Vaio Tab nicht eine Full-HD–Auflösung spendiert hat. Mit 1600 mal 1200 Bildpunkten ist das Display zwar nicht schlecht, aber so richtig zeitgemäß ist es eben auch nicht mehr. Zumal das schnelle IPS-Display damit richtig Freude machen würde. Und schließlich wäre auch eine superflinke SSD-Festplatte eine Überlegung wert gewesen. Wenn schon Premium, dann richtig bitte.

Denn beim Preis ist das Sony Vaio Tab nicht ohne. Im Laden kostet der Tablet-PC seine 1200 Euro, im Internet wird man für gut 1160 Euro fündig. Damit liegt das Sony Vaio Tab 20 im Bereich sehr ordentlicher Notebooks. Die sind aber handlicher und gleichzeitig in dieser Preisklasse in der Regel besser ausgestattet. So bleibt das Vaio Tab 20 von Sony ein Luxusgut für Technikverliebte. Schon lustig so ein Tablet in der Wohnung stehen zu haben. Aber es ist eben ein teurer und eher schwächerer Arbeitsrechnerersatz. Das ist der Unterschied zu den alten iMacs G3. Die waren auf ihre Art mit dem Mac OS schon richtige Arbeitsgeräte und nur optisch ein bisschen verspielt. Beim Sony Vaio Tab 20 ist das anders. Das ist vom Idee her verspielt, aber in der Praxis entweder ein zu schweres Tablet oder ein recht unflexibles Arbeitsgerät.

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