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Verbraucherinsolvenzen: Leben auf Pump

Die Schuldnerhilfe Köln warnt, dass inzwischen jeder zehnte Erwachsene in Deutschland überschuldet sei. Die Bedeutung von Konsum für die soziale Stellung verschärfe diesen Trend.

Köln - Trotz Konjunkturaufschwungs in Deutschland wächst nach Experten-Angaben die Zahl der privaten Überschuldungen und Verbraucherinsolvenzen. "Jeder zehnte Erwachsene in Deutschland ist inzwischen überschuldet", sagte Michael Eham als Geschäftsführer der Schuldnerhilfe Köln. "In Haushalte umgerechnet bedeutet das, dass 3,4 Millionen Haushalte bundesweit nicht mehr in der Lage sind, ihre Schuldverpflichtungen zu bedienen", so Eham unter Berufung auf mehrere Studien.

In den "aussichtslosen Fällen" komme es zu Verbraucher-Insolvenzverfahren, die deutlich zugenommen hätten. Gibt es mit den Gläubigern keine außergerichtliche Einigung, so wird im Insolvenzverfahren geklärt, nach welchem Schlüssel der Schuldner über sechs Jahre seine pfändbaren Werte an die Gläubiger abzustottern hat. "Bundesweit sind die Verbraucher-Insolvenzen im letzten Jahr um 34,8 Prozent gestiegen - auf 92.844 Fälle", sagte der Experte. "Man geht davon aus, dass die durchschnittliche Schuldenhöhe bei 25.000 bis 30.000 Euro liegt." Aber auch eine vierstellige Schuldensumme könne etwa für einen Hartz-IV-Empfänger schon zur unüberwindlichen Hürde werden.

Sinkendes Einkommen und Wandel im Konsumverhalten

Die Ursachen für die steigende Verschuldung sind Eham zufolge vielfältig: "Die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist eindeutig eine gravierende Ursache, und es gibt unstrittig die so genannten Armutsschuldner, die wegen Arbeitslosigkeit oder sinkenden Einkommens ins Schleudern geraten." Bisher noch zu wenig beachtet werde aber der Wandel im Konsumverhalten. "Die Bedeutung von Konsum auch für die soziale Anerkennung hat deutlich zugenommen. Da wird Urlaub gemacht auf Pump oder das neue Auto wird in Raten gezahlt."

Zudem fehle vielen Jugendlichen wie auch Erwachsenen die finanzielle Übersicht. "Ich kann nur raten, im Elternhaus bereits den Kindern den Umgang mit dem Geld beizubringen." Auch die Schule sei gefragt, die jahrgangs- und fächerübergreifend etwa Zinses-Zins-Berechnung oder die Rolle des Konsums behandeln solle. Es gebe zu wenig Schuldner-Beratung, nur rund 12 Prozent des Bedarfs könnten gedeckt werden, betonte Eham. "Meistens finanzieren die Kommunen die Schuldnerberatungen, und die sind ja selbst völlig überschuldet." Auch seien schwarze Schafe unterwegs, die sich an den einzelnen Finanzmiseren noch bereicherten. "Offenbar gibt es 400.000 Kunden, die im letzten Jahr auf solche Betrüger hereingefallen sind."

Hilfe durch Beratung

Ein auf drei Jahre angelegtes Pilotprojekt in Köln bietet Eham zufolge erstmals bundesweit per Telefon oder Internet nicht-kommerzielle Beratung an. "Nach sechs Monaten Schulden-Hotline und 1000 Ratsuchenden habe wir sehr gute Erfahrungen gemacht." Vor allem von Menschen mit großen Hemmschwellen und auch Älteren werde das Angebot oft genutzt. In 58 Prozent der Fälle konnten die Probleme bereits durch Tipps und Informationen gelöst werden. (Yuriko Wahl, dpa)

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