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Banken und Sparkassen müssen ihre Werbung für Kredite und Darlehen nun mit einem repräsentativen Rechenbeispiel versehen und alle anfallenden Kosten auflisten. Foto: ddp

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Verbraucherkredite: Wenn das Konto nichts mehr hergibt

Seit Juni gelten neue Regeln für Verbraucherkredite. Kunden sollen besser informiert werden – doch Kritiker sehen auch Lücken.

Auch wenn die Preise für Unterhaltungselektronik fast im Vierteljahresrhythmus purzeln: Den neuen Flatscreen zu Weihnachten gibt es nicht für ein Taschengeld. Falls das Girokonto bis zur Dispogrenze ausgereizt ist, hilft nur noch ein Klein- oder Konsumentenkredit. Damit Bankkunden, die sich Geld leihen, besser informiert sind, gilt seit dem 11. Juni 2010 das neue Verbraucherkreditgesetz. Befürworter sehen darin eine Stärkung des Verbraucherschutzes, doch Kritiker monieren auch Lücken.

Grundlage ist die EU-Verbraucherkreditrichtlinie aus dem Jahr 2009. Verbesserte Informationen und mehr Transparenz sollen den Verbraucherschutz vereinheitlichen. „Die vorherige Rechtslage war eine Art Flickenteppich“, erläutert Frank Arens, Leiter Immobilien-Center bei der Sparkasse Köln Bonn. „Dank der Richtlinie gelten für alle Banken und Sparkassen in der EU dieselben Vorschriften bei Verbraucherkrediten, die ab dem 11. Juni 2010 abgeschlossen werden.“

Das neue Gesetz greift bei allen „entgeltlichen“ Krediten ab 200 Euro; ausgenommen sind Förderdarlehen und zinslose Darlehen. Neben Verbrauchern gilt es auch für Firmengründer – zumindest bei Nettodarlehensbeträgen bis maximal 75 000 Euro. Außerdem wichtig: „Grundsätzlich betrifft die in nationales Recht umgesetzte EU-Richtlinie auch Überziehungen des Girokontos und Immobiliendarlehen“, sagt Florian Haas, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft für Baufinanzierende in München.

Die Änderungen und Neuerungen für Verbraucher sind vielfältig. Das beginnt schon bei der Werbung. So seien die früher üblichen Lockvogelangebote jetzt verboten, sagt Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung in Frankfurt. Nun müssen die Institute ihre Werbung für Kredite und Darlehen mit einem repräsentativen Rechenbeispiel versehen. Dort muss der effektive Jahreszins des Kredits angegeben werden, den mindestens zwei Drittel der Bank- oder Sparkassenkunden erwartungsgemäß werden vereinbaren können. Zudem muss die Werbung alle wichtigen Fakten im Zusammenhang mit der Kreditvergabe auflisten, also auch „weitere Kosten, die für Darlehens- oder Kreditsicherheiten anfallen“, sagt Schutzgemeinschafts-Vorsitzender Haas.

Benannt werden müssen auch Beiträge für Policen, auf deren Abschluss die Geldgeber bestehen. Üblicherweise sind dies Feuer-, Restschuld- oder herkömmliche Lebensversicherungen. Nicht in die Berechnung des effektiven Jahreszinses fließen allerdings die Kosten freiwilliger Zusatzleistungen ein. Das sind oft „Beiträge für private Unfall- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen, die der Kreditnehmer abschließen möchte, die aber von der Bank nicht verlangt werden“, erläutert Finanzexperte Herbst.

Doch speziell bei der Berechnung des Effektivzinses seien einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, glaubt Florian Haas. Weniger bei Konsumentenkrediten, sondern viel mehr bei Immobilien-Darlehen. Hintergrund: Die Finanzierung einer Wohnung oder eines Hauses läuft fast immer mehrere Jahrzehnte. Bis zur Tilgung des Baukredits sind in der Regel mehrmalige Umschuldungen beziehungsweise Anschlussfinanzierungen nötig, weil Käufer und Bauherren so genannte Zinsbindungsfristen von zehn, 15 oder 20 Jahren vereinbaren.

Der Trick bei der Berechnung des Effektivzinses: Einige Institute verteilen die Zusatzkosten lediglich auf die Jahre der Zinsbindung, andere Geldgeber aber auf die Gesamtdauer bis zur endgültigen Entschuldung. Die Folge: Der Effektivzins wird optisch umso günstiger, je länger der Zeitraum ist, über den die zusätzlichen Kosten gestreckt werden. Mit dem kuriosen Ergebnis, „dass der Effektivzins eines Baudarlehens bisweilen niedriger ist als dessen Nominalzins“, kritisiert Haas. Falls Kreditnehmer also nicht wissen, über welchen Zeitraum ihre Bank oder Sparkasse die Zusatzkosten verteilt hat, ist ihnen der Konditionenvergleich praktisch nicht möglich.

Eine weitere Neuerung betrifft insbesondere Verbraucher, die ihre Kredite kündigen möchten. Dies können sie seit Juni bei Konsumentenkrediten ohne Einhaltung bestimmter Fristen tun. Bei Verträgen, die vor dem 11. Juni 2010 abgeschlossen wurden, gilt hingegen nach wie vor eine dreimonatige Kündigungsfrist. Doch Bauherren profitieren davon leider nicht: Der fristlose Ausstieg gilt nicht für Kredite, die durch eine Grundschuld abgesichert sind, somit nicht für Hypotheken-Darlehen, mit denen das Eigenheim oder eine vermietete Immobilie finanziert wird.

Stattdessen gilt bei Baukrediten nach wie vor: Wer vor Ende der Zinsbindungsfrist aus einem Vertrag rausmöchte, muss dafür eine Strafe zahlen, im Fachjargon „Vorfälligkeitsentschädigung“. Sie ist ein finanzieller Ausgleich für die mit einer vorzeitigen Darlehenskündigung verbundenen Zinsausfälle der Bank oder Sparkasse. Dagegen anzugehen lohnt übrigens nicht. Das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), hat die Rechtmäßigkeit einer solchen Vorfälligkeitsentschädigung bestätigt.

Das neue Verbraucherkreditgesetz regelt auch die Pflichten und Rechte der Beteiligten vor Abschluss eines Kreditvertrags. Sämtliche Finanzdienstleister in der EU müssen dem Kunden und Kreditnehmer ein einheitliches Formblatt vorlegen, das alle wichtigen Informationen zum Darlehensvertrag enthält. In der Fachsprache heißt dieses Formular „Vorvertragliche Informationen“. Diese VVI müssen dem Kunden rechtzeitig vor Abschluss des Kreditvertrags ausgehändigt werden – damit er dann, rundum informiert, entscheiden kann, wie viel ihm der begehrte Kredit wirklich wert ist.

Antje Schweitzer, Hajo Simons

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