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Die Inflation liegt in Deutschland bei null Prozent, das gab das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt.

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Verbraucherpreise in Deutschland: Inflation sinkt auf null Prozent

Das gab es lange nicht: Die Inflationsrate fällt auf null Prozent, bestätigt das Statistische Bundesamt. Doch: Was Verbraucher freut, bereitet Geldpolitikern Schwierigkeiten.

Von Carla Neuhaus

Ein teurer Urlaub, eine neue Handtasche oder eine gute Flasche Wein: Sich einfach mal etwas leisten zu können, davon träumen die meisten Deutschen. Sie würden für ihr Geld gern mehr bekommen, statt ständig das Gefühl zu haben, sich immer weniger kaufen zu können. Zumindest für den Moment scheint dieser Traum nun wahr zu werden. Während nämlich einerseits die Löhne steigen, bleiben die Verbraucherpreise konstant: Im September lag die Inflationsrate bei null Prozent. Das hat jetzt das Statistische Bundesamt bestätigt. Im Schnitt kosteten Waren damit zuletzt genauso viel wie im Vorjahr. So niedrig wie derzeit war die Inflationsrate in Deutschland mit Ausnahme des Januars seit sechs Jahren nicht mehr.

Der Grund ist einfach – es liegt am Öl. Weil das seit Monaten günstiger wird, fallen die Preise fürs Tanken und Heizen. So zahlten Autofahrer für Superbenzin im September fast 13 Prozent weniger als im Vorjahr, Dieselkraftstoff vergünstigte sich sogar um über 16 Prozent. Unter den Mietern und Hausbesitzern profitierten vor allem diejenigen, die mit Öl heizen: Die Preise für Heizöl gaben um fast 28 Prozent nach. Dieser Verfall der Energie- und Spritpreise fällt so stark ins Gewicht, dass er den Preisanstieg anderer Produkte wie Obst, Gemüse, Alkohol oder Kleidung überkompensiert.

Erwünscht ist eine Inflationsrate von Null nicht

Verbraucher mag das freuen – gewöhnen sollten sie sich daran aber besser nicht. Denn stagnierende Preise sind weder der Normalfall noch politisch gewünscht. Zu groß ist die Angst vor der Deflation: also einer Phase fallender Preise. Bei einer Deflation gehen die Verbraucher davon aus, dass die Waren noch billiger werden, halten sich mit Käufen zurück, zögern vor allem größere Anschaffungen hinaus. Wer sich ein neues Auto oder eine Küche kaufen will, wird damit warten, weil er glaubt, das im nächsten Monat noch billiger zu bekommen. Für die Unternehmen bedeutet das jedoch: Sie können weniger Produkte verkaufen, nehmen weniger Geld ein. Geht das über mehrere Monate so, müssen die Unternehmen irgendwann die Löhne senken oder Mitarbeiter entlassen. Die wiederum haben dann weniger Geld zur Verfügung und halten sich mit Käufen erst recht zurück. So entsteht schnell eine Spirale nach unten: Die Wirtschaft gerät in die Krise. Deshalb sprechen Experten auch gern vom Gespenst der Deflation – und meinen damit die Angst vor fallenden Preisen.

Auch wenn längst nicht alle Ökonomen die These vertreten, dass fallende Preise automatisch in die Krise führen, hat sich diese Ansicht durchgesetzt. Zentralbanken wie die amerikanische Fed oder die europäische EZB streben deshalb leicht steigende Preise an: Sie wünschen sich eine Inflationsrate von zwei Prozent und setzen alles daran, sie zu erreichen. Dass in Deutschland die Rate nun dennoch auf null Prozent gefallen ist, zeigt allerdings, dass das nicht immer gelingt. Zumal die Bundesrepublik mit ihren stagnierenden Preisen keine Ausnahme ist. Im EU-Durchschnitt – auf den die EZB als europäische Institution achtet – gaben die Verbraucherpreise zuletzt sogar um 0,1 Prozent nach.

Die EZB hat kaum noch Spielraum

Das Problem ist: Die EZB kann den fallenden oder stagnierenden Preisen kaum noch etwas entgegensetzen. Denn ihr wichtigstes Instrument ist der Zins: Je weiter sie ihn senkt, desto mehr animiert sie Anleger, Geld auszugeben statt zu sparen. Konsumieren die Menschen mehr, steigen die Preise – die Gefahr der Deflation ist gebannt. Das Dilemma der EZB ist jedoch: Ihr Leitzins ist längst auf einem Rekordtief. Auch ihr Anleihekaufprogramm, mit dem die Zentralbank frisches Geld in den Markt pumpt, bringt derzeit wenig. Die EZB hatte gehofft, dass Banken dieses Geld in Form von Krediten an Verbraucher oder Firmen weiterreichen würden, die es für Konsumgüter oder Maschinen ausgeben – wodurch ebenfalls die Preise steigen würden. Geflossen sind die Milliarden stattdessen aber vor allem in den Aktienmarkt. Entsprechend klein ist mittlerweile der Spielraum der EZB im Kampf gegen fallende Preise. Experten beschreiben die Zentralbank daher bereits als zahnlosen Tiger: Der brüllt, kann aber nicht beißen.

Doch: Müssen wir uns deshalb nun wirklich vor der Deflation und damit vor der nächsten Krise fürchten? Ökonomen beantworten das mit einem klaren Nein. Schließlich fallen die Preise derzeit nicht auf breiter Front. Es sind ausschließlich die Energiepreise, die kräftig nachgeben – andere Produkte werden zum Teil deutlich teurer. Der Preis für Äpfel ist zum Beispiel um zehn Prozent gestiegen, Kartoffeln haben sich um 22 Prozent verteuert. Gefährlich wird es erst, wenn die Preise diverser Produkte stagnieren oder fallen. Bleibt es lediglich beim billigen Benzin, ist das sogar von Vorteil: Weil Verbraucher und Firmen dadurch sparen, wirkt es wie ein kleines Konjunkturprogramm.

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