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Gerd Billen sieht „derzeit keine großen Inflationsgefahren“.

© dapd

Verbraucherschützer Billen im Interview: Gold ist auch keine Lösung

„Niemand kann sich der Krise entziehen." Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Gerd Billen, äußert sich im Interview über den Euro und die akute Angst der Anleger.

Herr Billen, vor drei Jahren waren nur die Banken in der Krise, jetzt sind es ganze Staaten. Wie ernst ist die Lage?

Die Lage ist ziemlich dramatisch – weltweit. Wir haben ja nicht nur in Europa eine Krise, sondern auch in den USA und in anderen Ländern. Zum Glück setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Staaten nur mit ausgeglichenen Haushalten leben können.

Selbst Deutschland hat jetzt Probleme, seine Bundesanleihen loszuwerden. Wie bedenklich ist das?
Wir sind noch immer ein guter Schuldner. Aber die Spekulanten sagen sich, warum soll ich für niedrige Zinsen Deutschland Geld leihen, wenn ich vielleicht in einem halben Jahr Eurobonds habe, die mehr bringen?

Bei den Eurobonds, über die derzeit diskutiert wird, haften alle Euro-Staaten für die Krisenländer. Werden dadurch die Probleme nicht nur hinausgeschoben?
Eurobonds bedeuten, dass die Staaten mit schlechter Bonität günstiger an Geld kommen und die Länder, die versuchen, ihre Hausaufgaben zu machen, mehr bezahlen müssen. Eurobonds dürfen nicht dazu führen, dass der Druck auf die Schuldenstaaten abnimmt, ihre Haushalte zu sanieren. Wenn die Politik es schafft, klare Regelungen und Sanktionen festzulegen, die dafür sorgen, dass die Krisenländer ihre Haushalte sanieren, können Eurobonds ein sinnvolles Instrument sein.

Was müsste die Politik sonst noch tun?
Wir setzen uns für eine Finanztransaktionssteuer ein. Es kann nicht sein, dass man bei jedem Kauf Mehrwertsteuer bezahlen muss, aber spekulative Finanzgeschäfte steuerfrei bleiben. Außerdem brauchen wir bindende Regelungen für Ratingagenturen und unabhängige Agenturen, die nicht unter dem Einfluss von großen Finanzinstituten oder Staaten stehen. Es ist doch merkwürdig, dass Frankreich plötzlich „aus Versehen“ eine schlechtere Bewertung bekommt oder dass mitten in Verhandlungen angekündigt wird, dass Länder abgewertet werden. Es kann nicht sein, dass die Ratingagenturen demokratisch gewählte Regierungen vor sich her treiben.

Sind die demokratisch gewählten Regierungen noch handlungsfähig?
Die Krise ist ärgerlich und teuer, aber sie ist lösbar. Und in der Krise liegt auch eine immense Chance – nämlich darüber zu diskutieren, was für ein Europa wir in Zukunft wollen und wie wir Europa und den Euro neu konzipieren können.

Wie hart trifft die Krise die Verbraucher? - Den Rest des Interviews lesen Sie auf Seite zwei.

Sollte man Griechenland fallen lassen?
Nach derzeitigem Stand nein. Aber man kann Länder nicht zum Sparen zwingen, ohne ihnen zugleich Perspektiven aufzuzeigen, wie sich ihre Wirtschaft erholen kann und Jobs entstehen können.

Wie hart trifft die Krise die deutschen Verbraucher?
Die Verbraucher haben vor allem Angst, dass die Krise auf ihre Altersvorsorge durchschlägt. Die Renditen auf den Kapitalmärkten sind sehr niedrig, das bekommen all diejenigen schmerzhaft zu spüren, die Geld in eine private Renten- oder Lebensversicherung oder in ein Tages- oder Festgeld gesteckt haben.

Was kann die Politik dagegen tun?
Wir brauchen eine viel stärkere Regulierung des Finanzmarkts und ein Verbot besonders riskanter Finanzprodukte. Außerdem sollte man über die Finanztransaktionssteuer und die Bankenabgabe endlich auch einmal diejenigen finanziell beteiligen, die die Krise maßgeblich verursacht haben. Es nicht einzusehen, dass in den Banken nach wie vor Wahnsinnsgehälter und Boni gezahlt werden, obwohl die Branche nichts dazu beigetragen hat, dass die Finanzmärkte stabiler, transparenter oder besser geworden sind.

Die Banken hatten nach der Pleite der Lehman-Bank Besserung gelobt ….
Nach der Lehman-Pleite hatte man für kurze Zeit den Eindruck, dass die Politik ernsthaft willens ist, Banken strenger zu kontrollieren. Aber das haben die USA und Großbritannien hintertrieben. Deshalb müssen die Staaten des Euro-Raums vorangehen. Man kann nicht auf den Letzten warten. Auf nationaler Ebene muss die Finanzaufsicht zudem den Auftrag erhalten, sich auch um den Verbraucherschutz auf dem Finanzmarkt zu kümmern. Wir als Verbraucherinstitution müssen die Legitimation und die Ressourcen erhalten, um als Marktwächter Missstände aufspüren und Politik und Behörden auf den Plan rufen zu können.

Viele Menschen fürchten, dass die hohen Staatsschulden zu mehr Inflation führen und ihr Erspartes nicht mehr sicher ist …
Man muss das im Auge behalten, aber ich sehe derzeit keine großen Inflationsgefahren. Hinzu kommt: Man kann sich der Krise nicht entziehen. Es ist keine Alternative, Gold zu kaufen oder in den überhitzten Immobilienmarkt zu investieren. Die Krise kann man nicht individuell lösen, das muss auf politischer Ebene geschehen.

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