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Auch in Legehennen wurden zu hohe Dioxinwerte nachgewiesen.

© dpa

Verbraucherschutz: Erhöhte Werte auch in Tieren gemessen

Auch in Tieren sind erhöhte Dioxinwerte gemessen worden. Südkorea hat offenbar die Einfuhr von deutschem Schweinefleisch gestoppt. Großbritannien nimmt Produkte mit deutschen Eiern aus den Supermarktregalen.

Im Skandal um dioxin-verseuchtes Tierfutter haben die Behörden erstmals auch in Tieren überhöhte Konzentrationen des Ultragiftes festgestellt. Bei drei untersuchten Legehennen seien Dioxin-Konzentrationen von deutlich mehr als dem doppelten des erlaubten Höchstwertes festgestellt worden, erklärte das Bundesverbraucherministerium am Samstag in Berlin. In den Tieren seien 4,99 Pikogramm Dioxin pro Gramm Fleisch gemessen worden. Der Grenzwert beträgt 2 Pikogramm. Die Tiere stammten den Angaben zufolge aus einem Betrieb in Nordrhein-Westfalen, in dem auch belastete Eier festgestellt wurden. Das Fleisch der Tiere sei nicht in den Verkehr gekommen, betonte das Ministerium weiter. Die Hühner seien getötet und das Fleisch vernichtet worden. Alle Eier des Betriebes seien von den Behörden zurückgerufen und die betroffenen Eiernummern im Internet veröffentlicht worden.

Bei weiteren einzelnen Kontrollen an Hähnchen, Mastputen und Schweinen seien in verschiedenen Bundesländern keine überhöhten Konzentrationen von Dioxin festgestellt worden, berichtete das Ministerium weiter. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung kommt es bei einem kurzfristigen Verzehr von Geflügelfleisch oder Eiern mit den bislang festgestellten Dioxin-Gehalten nicht zu “unmittelbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen“. Am Freitag war bekanntgeworden, dass der Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter viel früher begonnen hat als bislang bekannt. Bereits im März ist dem schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium zufolge in einer Probe des Futterfett-Herstellers Harles und Jentzsch zu viel Dioxin festgestellt worden. Bundesweit wurden 4700 Höfe gesperrt.

Südkorea stoppt Einfuhr aus Deutschland

Wegen des Dioxin-Skandals hat Südkorea die Einfuhr von deutschem Schweinefleisch und Geflügelprodukten gestoppt. Wie ein hoher Beamter im Landwirtschaftsministerium in Seoul am Samstag mitteilte, sei die Quarantänekontrolle von Fleischprodukten aus Deutschland eingestellt worden. Es handele sich um eine vorübergehende Maßnahme, sagte Chang Jae Hong. Es sei aber kein formales Importverbot verhängt worden.

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ ist Südkorea das erste Land, das die Einfuhr deutschen Fleisches wegen des Dioxinskandals eingestellt hat. Ein Sprecher des EU- Gesundheitskommissars John Dalli sagte dem Blatt, dass die Südkoreaner von der EU-Kommission sogar ein offizielles Exportverbot verlangt hätten. Fleischprodukte aus Deutschland würden solange nicht mehr eingeführt, „bis wir hören, dass das Fleisch sicher ist“, sagte Chang. Die deutschen Behörden seien um detaillierte Informationen gebeten worden. Deutsche Fleischprodukte, die sich bereits im Land befinden, werden dem Ministerium zufolge gründlich geprüft, ob sie Giftstoffe enthalten.

Britische Supermärkte haben Produkte, die von deutschen Dioxin-Eiern verseucht sein könnten, aus dem Regal genommen. Die meisten der Kuchen und Törtchen, die betroffen sein könnten, seien bereits verkauft und vermutlich schon gegessen, teilte die für Ernährung zuständige Behörde Food Standards Agency (FSA) mit. Vorsorglich sollten die Geschäfte auch die wenigen Reste aus dem Verkehr ziehen. Die FSA hatte in den vergangenen Tagen mehrfach darauf hingewiesen, dass von den Eiprodukten keine Gefahr für die Gesundheit ausgehe. Der Dioxin-Gehalt bei der Verarbeitung so weit verdünnt worden, dass kein Risiko bestehe. Rund 14 Tonnen der verseuchten Eier sollen nach Großbritannien gelangt sein.

Betrugsvorwürfe gegen Harles und Jentzsch

Wie das Bielefelder „Westfalen-Blatt“ unter Berufung auf das niedersächsische Landwirtschaftsministerium berichtet, besteht der Verdacht des Betrugs und der Steuerhinterziehung durch den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch. Der Verband der Lebensmittelkontrolleure (BVLK) forderte eine Kennzeichnung unsauber arbeitender Betriebe. Ministeriumssprecher Gert Hahne sagte dem „Westfalen-Blatt“, vieles spreche dafür, dass das Unternehmen seine Kunden betrogen und minderwertige technische Mischfettsäure zu teurem Futterfett verarbeitet habe. Für eine Tonne Industriefett habe die Firma lediglich 500 Euro erlösen können, für eine Tonne Futterfett hätten die Kunden aber 1000 Euro bezahlen müssen. Hier liege der Verdacht der falschen Rechnungsstellung und somit der Steuerhinterziehung nahe. Noch unklar war demnach der Zeitraum der Machenschaften. Das Tochterunternehmen von Harles und Jentzsch, die Spedition Lübbe im niedersächsischen Bösel, habe ihren Betrieb im Jahr 2005 aufgenommen. Jetzt müsse geprüft werden, seit wann bei der Spedition illegal Futterfett gelagert und hergestellt worden sei, das nicht für Tierfutter geeignet war.

Unternehmen wusste seit März bescheid

Bereits im März vergangenen Jahres habe ein privates Institut erhöhte Dioxinwerte beim Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen festgestellt, sagte ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministeriums am Freitag in Kiel. Auch danach habe es weitere Auffälligkeiten gegeben. „Jede für sich hätte gemeldet werden müssen“, betonte der Sprecher. Das sei aber nicht geschehen. „Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Dinge nicht in Ordnung sind“, sagte Hans-Michael Goldmann (FDP), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, dem Tagesspiegel. „Das ist großer Mist.“

Tatsächlich haben die Behörden, die Bauern und die Verbraucher erst im Dezember von dem Dioxin-Skandal erfahren. Nach Angaben des Bundesverbraucherschutzministeriums sind derzeit 4709 Betriebe geschlossen, darunter vor allem Schweinemastbetriebe. Betroffen ist auch Brandenburg. Gegen Harles und Jentzsch und die Spedition Lübbe aus dem niedersächsischen Bösel ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Futtermittelrecht. Dort sollen dioxinverseuchte Industriefette mit Futterfetten vermischt worden sein. Die bei Harles und Jentzsch sichergestellten Rückstellproben seien bis zu 78 Mal so hoch belastet wie der zulässige Dioxin-Grenzwert, teilte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium am Freitag weiter mit. Dioxin ist krebserregend.

Verbraucherschützer erheben unterdessen heftige Vorwürfe gegen den Handel und die Behörden. „Kein Verbraucher weiß, welche Eier und welches Fleisch betroffen sind“, sagte die Ernährungsexpertin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Jutta Jaksche, dieser Zeitung. Die Verbraucherschützerin forderte den Handel auf, alle Produkte aus dem Regal zu nehmen, bei denen die Gefahr einer Dioxin-Belastung bestehe. „Unsichere Ware muss aus dem Verkehr gezogen werden“, sagte Jaksche. Stattdessen warte der Handel darauf, dass die Produkte gekauft und gegessen werden. „Dann ist das Problem gelöst“, kritisierte Jaksche die fehlende Information der Verbraucher. Der Handel weist diese Vorwürfe zurück. Bei Real heißt es, man sei nicht von Bauern beliefert worden, deren Betriebe geschlossen sind. Auch Rewe betonte, die Eier für die Eigenmarken stammten nicht von betroffenen Legebetrieben. Das Bundesverbraucherministerium beruhigte besorgte Verbraucher. Zwei Drittel der bisher vorgenommenen Eierproben hätten keine Auffälligkeiten gezeigt. Niedersachsen will am Montag erste Betriebssperrungen aufheben.

Verbraucher sollen besser geschützt werden

Die Politik sucht nach Lösungen, wie sich solche Skandale künftig vermeiden lassen. Am Montag will Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) Vertreter der Futtermittelbranche, der Landwirtschaftsverbände sowie Verbraucherschützer in Berlin treffen. Aigner setzt sich für eine Trennung von Futtermittelherstellung und der Produktion von Industriefetten ein. Mit EU-Verbraucherkommissar John Dalli will die Ministerin eine europäische Regelung finden. Niedersachsen will technische Fette künftig anders einfärben als Fette, die zur Futtermittelherstellung genutzt werden. Hans-Michael Goldmann fordert bessere Kontrollen: „Es reicht nicht, die Betriebe zu kontrollieren, man muss auch den weiteren Weg der Futtermittel verfolgen“, forderte der Verbraucherpolitiker. „Die Branche muss vor kriminellen Elementen geschützt werden.“ Am Dienstag beschäftigt sich der Bundestagsausschuss für Landwirtschaft in einer Sondersitzung mit dem Dioxin-Skandal.

SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber will auf dieser Sitzung eine Verschärfung des Verbraucherinformationsgesetzes beantragen. Zudem verlangt er, dass die Verbraucher zentral über die Internetplattform „www.lebensmittelwarnung.de“ informiert werden sollten. „Es kann doch nicht sein, dass Leute, die sich über die Dioxinwerte informieren wollen, in jedem Land danach suchen müssen.“ Die SPD will außerdem erreichen, dass sämtliche Untersuchungsergebnisse in einer Datenbank veröffentlicht werden – auch ohne die Überschreitung von Grenzwerten. Mitarbeit: Dagmar Dehmer (mit dapd/dpa/Reuters)

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