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Verbraucherschutz: Wie mächtig sind die Konsumenten?

Verbraucher können viel erreichen, wenn sie zusammenhalten. Aber das geschieht nur selten.

Auf Veranstaltungen leistet Ex-Verbraucherschutzministerin Renate Künast derzeit oft praktische Lebenshilfe. „Ich notiere die Adressen der Leute und schicke ihnen Formulare für den Wechsel des Stromanbieters zu“, sagt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Das soll den Verbrauchern helfen, die Stromkonzerne in ihre Schranken zu weisen. „Die Verbraucher sind viel stärker, als sie es wahrhaben wollen“, meint Künast. „Man muss die Menschen nur besser informieren.“

Der Kampf gegen die Stromlobby und ihre Preispolitik könnte Verbrauchern und Verbraucherschützern neues Selbstbewusstsein geben. Das soll auch der Deutsche Verbrauchertag tun, der an diesem Montag erstmals in Berlin stattfindet. Immerhin hat sich mit Bundespräsident Horst Köhler und Verbraucherminister Horst Seehofer Politprominenz angemeldet. Thema der Konferenz: „Verbrauchermacht und Verantwortung“.

Von Verbrauchermacht ist in Deutschland bisher nicht viel zu spüren. Und das, obwohl es 82 Millionen Verbraucher gibt. Der private Konsum hat am Bruttoinlandsprodukt, das den Wert aller in Deutschland produzierten Waren und Dienstleistungen widerspiegelt, einen Anteil von über 58 Prozent – damit sind die Verbraucher in ihrer Eigenschaft als Käufer, Kunden und Konsumenten wirtschaftlich bedeutender als die Unternehmen. Dennoch spielen sie im Wirtschaftsleben keine aktive Rolle. Warum?

„Verbraucher schließen sich nur zusammen, wenn sie etwas davon haben“, sagt Thilo Bode, einst der Chef von Greenpeace, heute Leiter der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. „Verbraucher“, meint Bode, „wollen nicht die Welt verbessern“, der Protest müsse sich auszahlen. In Euro und Cent wie beim Strom oder in gesundheitlich unbedenklichen Lebensmitteln wie bei BSE. Der Widerstand fällt umso leichter, je weniger Opfer nötig sind. Wie vor zwölf Jahren, als Autofahrer Shell-Tankstellen boykottierten, weil der Ölmulti die Ölplattform „Brent Spar“ in der Nordsee versenken wollte. „Man musste nur zehn Meter weiterfahren, um bei Esso, Aral oder BP zu tanken“, erinnert sich Bode.

Um Biolebensmittel attraktiver zu machen, reicht es nach Meinung des Verbraucherschützers nicht aus, an das gute Gewissen der Käufer zu appellieren. Stattdessen sollte die Politik die Hersteller von konventionellen Produkten zwingen, für die von ihnen verursachten Umweltschäden einzustehen und die Kosten auf den Verkaufspreis aufzuschlagen. Würde man den Kohlendioxidausstoß berücksichtigen, der bei der Produktion von Dünger entstehe, seien Ökolebensmittel günstiger. „Die Agrarwende schafft man nicht durch Appelle, sondern durch Ökonomie“, meint Bode.

Die frühere Bundesministerin Künast sieht dagegen bereits heute Erfolge. Dass immer mehr Menschen Biolebensmittel kaufen und dass in Deutschland die Gentechnik verpönt ist, sind für sie Zeichen von Verbrauchermacht. „Verbraucher beeinflussen die Märkte“, meint die grüne Politikerin.

Aber selbst wenn die Menschen gute Waren kaufen wollen, fehlen ihnen die nötigen Informationen. Mögliches Gegenmittel: flächendeckende „Testsiegel auf der Basis wirklich umfassender Tests durch die Stiftung Warentest und ähnlicher Testinstitute“, meint Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts.

Hinzu kommt: Auch die politische Vertretung der Verbraucher ist schwach. „Die Produzenteninteressen sind politisch stets besser vertreten als die Verbraucherinteressen“, weiß Wissenschaftler Sinn. Weil der Streitwert pro Kopf klein ist, seien Verbraucher „gegenüber den Industrielobbys auf der politischen Bühne hoffnungslos unterlegen“. Erst seit dem Jahr 2000 gibt es mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen einen professionellen, politischen Lobbyverband. Dessen Gründerin, Edda Müller, gibt ihr Amt Ende des Monats ab. Ihrem Nachfolger, Gerd Billen, rät sie, selbstbewusst für die Verbraucher zu kämpfen: „Man darf keine Beißhemmung haben.“

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