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Telefonieren im Ausland könnte bald günstiger werden - oder doch nicht?

© AFP

Verbraucherschutzbehörden warnen: Abschaffung der EU-Roaminggebühren kann negative Folgen haben

EU-Roaminggebühren werden abgeschafft: Gute Nachricht! Vieles könnte jedoch so teuer bleiben, wie es ist. Ein Gastkommentar.

Diese Woche werden die EU-Roaminggebühren abgeschafft. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung digitalem Binnenmarkt (Digital Single Market). Für viele Verbraucherinnen und Verbrauchen wird dies möglicherweise eine merkbare Einsparung bedeuten, insbesondere für diejenigen, die innerhalb der EU viel unterwegs sind. Im Ausland kann man dann – so die Hoffnung - kostenfrei Anrufe von zuhause erhalten und für die normalen inländischen Gebühren nach Hause anrufen. Die Europäische Kommission schätzt, dass diese Reform Einsparungen in Milliardenhöhe bedeuten könnte.

Ob und in welchem Maße solche Vorhersagen letztendlich zutreffen, hängt allerdings davon ab, inwiefern die Mobilfunkanbieter ihre Tarife und Großhandelspreise anpassen. Denn die Abschaffung der EU-Roaminggebühren hat auch Tücken; es könnte sogar negative Folgen für die Verbraucherinnen und Verbrauchen geben.  

Die hohen Tarife für Gespräche ins EU-Ausland bleiben allerdings bestehen. Andererseits kann man die jetzt günstigere Datenverbindung nutzen, um lokale Anrufe im Ausland mit Voice Over IP-Programmen wie Skype durchzuführen. Die fehlende Anpassung der Tarife für Verbindungen ins Ausland ist keine Konsequenz der Regulierung. Sie verhindert jedoch die Entwicklung eines echten Binnenmarkts.

Die Wassermenge bleibt die gleiche

Eine negative und subtilere Konsequenz der Abschaffung der EU-Roaminggebühren kann der sogenannte Wasserbett-Effekt sein: Wenn ein Mobilfunkanbieter mehrere Preise und Gebühren setzen kann und einige von diesen – beispielsweise die Roaminggebühren – durch eine Regulierung gesenkt werden, dann wird er möglicherweise andere Tarife anpassen, damit seine Gewinne weiterhin möglichst hoch bleiben. Die Wassermenge bleibt die gleiche, das Wasser verteilt sich nur anders, sobald sich jemand auf das Bett liegt.    

Roaminggebühren machen bis zu zehn Prozent der globalen Umsätze von Mobilfunkanbietern aus. Der größte Teil dieser zehn Prozent besteht für europäische Anbieter aus intra-EU Roaminggebühren, sie bilden daher einen wichtigen Anteil ihrer Gewinne. Zu erwarten ist deshalb, dass die Mobilfunkanbieter Inlandstarife oder andere Preise, zum Beispiel Roaminggebühren für andere Regionen der Welt, erhöhen, um die verlorenen Umsätze zu kompensieren. Bestehende empirische Evidenz hat solche Effekte genau in der Mobilfunkindustrie beobachtet, als Festnetz-zu-Mobil-Gebühren in Großbritannien reguliert wurden: Die Reduzierung der Terminierungsgebühren um zehn Prozent hat in Durchschnitt zu einer fünfprozentigen Erhöhung der Mobilfunktarife geführt.

In welcher Größenordnung solche Wasserbett-Effekte jetzt auftreten werden, ist schwer abzuschätzen. Sie könnten aber einige positiven Auswirkungen der Regulierung zunichtemachen. Diejenigen, die viel innerhalb der EU reisen, werden zwar wahrscheinlich profitieren, die Leidtragenden würden andere sein – nicht die Mobilfunkanbieter, sondern andere Verbraucherinnen und Verbraucher. Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung der Kommission zu begrüßen, weil sie ein wichtiger Schritt in Richtung eines echten, integrierten EU Digital Single Market ist, der letztendlich gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist.

Der Autor dieses Textes ist Abteilungsleiter "Unternehmen und Märkte" des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW)

Tomaso Duso

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