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Wirtschaft: Verdi droht mit neuen Streiks

Die Gewerkschaft will sich weiter gegen den Jobabbau wehren – und die Vertreter suchen neue Partner

Berlin – Allianz-Vertreter gehen zum Anwalt, die fest angestellten Vertriebsmitarbeiter auf die Straße – bei Deutschlands größtem Versicherungskonzern herrscht dicke Luft. Mit seinen radikalen Umbauplänen stößt Allianz-Konzernchef Michael Diekmann die Mitarbeiter vor den Kopf. Viele der knapp 40 000 fest angestellten Allianzler fürchten um ihre Jobs. In Stuttgart und Hamburg legten Allianz-Mitarbeiter vorübergehend die Arbeit nieder, weitere Aktionen sind geplant. „Ein Konzern, der so gut verdient wie die Allianz, muss alle Mitarbeiter auf dem Weg in die neue Allianz mitnehmen“, fordert Jörg Reinbrecht, Sprecher des Fachbereichs Finanzdienstleistungen bei der Gewerkschaft Verdi. 3,5 Milliarden Euro hat der Konzern in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits verdient. Dennoch will die Allianz nicht versprechen, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben. Angeblich sollen 8000 Stellen gestrichen werden – eine Zahl, die die Allianz jedoch heftig dementiert. Klar ist aber: „Es wird weitere Aktionen geben“, sagt Reinbrecht. Diekmann steht ein kalter Winter bevor.

In seinem dritten Jahr als Konzernchef will der Mann an der Spitze die Allianz komplett umbauen. Die bisherigen Konzerngesellschaften – die Lebens-, Kranken- und Sachversicherung – rücken unter das Dach einer neuen Deutschland-Holding. Der Vertrieb, der bislang bei den jeweiligen Gesellschaften angesiedelt war, wird in einer neuen Vertriebsgesellschaft gebündelt. „Der Umbau wird Arbeitsplätze kosten“, sagt Verdi-Vertreter Reinbrecht. In einem anderen Punkt haben sich Unternehmen und Gewerkschaft dagegen kürzlich geeinigt: Für die neue Vertriebsgesellschaft sollen die Tarifverträge der Versicherungsbranche gelten.

Diekmann sieht sich gezwungen zu handeln. Die Allianz verliert Kunden. Seit 1965 hat sich der Marktanteil in Deutschland von 35 auf 17 Prozent halbiert. Nach Meinung der Konzernspitze liegt das auch an den unübersichtlichen Vertriebs- und Konzernstrukturen, die kompliziert und ineffizient seien. Was der Umbau für die fest angestellten Mitarbeiter genau bedeutet, ist noch unklar. Bis Jahresende sollen die Einzelheiten der neuen Struktur stehen, erste verlässliche Aussagen über einen möglichen Stellenabbau soll es nicht vor Februar geben.

Unruhe gibt es aber auch beim Herzstück der Versicherung, den gut 10 000 selbstständigen Versicherungsvertretern, die die Allianz-Policen an den Kunden bringen. Zwar sind diese nach Meinung des designierten Vertriebschefs Hansjörg Cramer von den Umstrukturierungen nicht betroffen. Außerdem soll der Umbau nicht zu generellen Kürzungen bei den Provisionen führen. Dennoch sind derzeit viele Vertreter auf ihren Partner schlecht zu sprechen. Sie ärgern sich über die neuen Billig- und Internettarife in der Autoversicherung, die ihnen niedrigere oder gar keine Provisionen mehr einbringen. In der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Pflanzl & Köllner werden derzeit Fälle von verärgerten Vertretern gesammelt, anschließend soll mit der Allianz über eine gütliche Einigung verhandelt werden. Einige Agenturen suchen sich aber bereits andere Vertriebspartner. „Viele Allianz-Vertreter sehen sich derzeit nach neuen Versicherungspartnern um“, sagt Ulrich Brock, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute. Auch die Ausgliederung des Vertriebs hält Brock für schlechten Stil. „Das wäre so, als ob man nach 30 Jahren Ehe seine Frau in eine andere Wohnung schickt.“

Seit 115 Jahren gibt es die Allianz. Jetzt droht die besondere Kultur, die das Unternehmen und seine Mitarbeiter geprägt hat, unterzugehen. Auch die Allianz-Vertreter zeichnen sich durch eine hohe Identifikation mit ihrer Gesellschaft aus. Wie der Berliner Volker Oldewedeken. Seit 25 Jahren ist er jetzt bei der Allianz. Zu seinen Kunden habe er ein persönliches Verhältnis, sagt der Generalvertreter. Der Allianz will Oldewedeken auf jeden Fall treu bleiben.

Das sehen aber nicht alle so. Dabei ist das Unternehmen auf Männer wie Oldewedeken angewiesen. Wenn die Allianz ihre Produkte über Makler oder Finanzvertriebe wie AWD oder MLP verkauft, zahlt sie höhere Provisionen als beim Vertrieb über ihre eigenen Leute. „Der Versicherungsmarkt ist ein Vertriebsmarkt", sagt AWD-Sprecher Folkert Mindermann. Die Finanzvertriebe sitzen am längeren Hebel. „Provisionen sind immer Verhandlungssache", sagt auch MLP-Sprecher Christian Maertin. „Wegen unserer Vertriebsstärke sind wir traditionell ein attraktiver Partner von Versicherungen." Doch auch AWD und MLP hüten sich davor, den wichtigen Produktpartner Allianz mit Forderungen nach höheren Provisionen öffentlich unter Druck zu setzen. Das Thema sei „außergewöhnlich heikel", heißt es.

Auch direkte Abwerbungen bei Allianz-Vertretern gibt es nicht. „Wir werben nicht gezielt Versicherungsvertreter abDas ist nicht der Stil von MLP", sagt Christian Maertin. Auch beim AWD mag man nicht bei der Allianz wildern. Aber: „Ein guter Berater aus der Finanzbranche ist immer interessant für uns", sagt Folkert Mindermann.

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