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Wirtschaft: Verdi: Neuer Gewerkschafts-Chef will tiefgreifende Modernisierung

Der erste Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat sich für eine tiefgreifende Modernisierung ausgesprochen. "Raus aus den Gewerkschaftsghettos, rein ins Leben", rief Bsirske am Dienstag den rund 1000 Delegierten des Gründungskongresses von Verdi zu.

Der erste Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat sich für eine tiefgreifende Modernisierung ausgesprochen. "Raus aus den Gewerkschaftsghettos, rein ins Leben", rief Bsirske am Dienstag den rund 1000 Delegierten des Gründungskongresses von Verdi zu. Die neue Gewerkschaft könne zu einer sozialen Bewegung werden und dabei auch von Organisationen wie Greenpeace eine Menge lernen. Zuvor war Bsirske mit einer deutlichen Mehrheit an die Spitze Verdis gewählt worden. Für den insgesamt 19-köpfigen Bundesvorstand stimmten 95,9 Prozent der Delegierten.

Die Spannbreite der Verdi-Mitglieder reicht von der Friseurin bis zum Web-Designer, womit "die Zeit der gewerkschaftlichen Patenrezepte vorbei ist", sagte Bsirske. Wenn der Web-Designer auch mal zwölf Stunden und nachts arbeiten wolle, dann sei es nicht Aufgabe der Gewerkschaft, ihm das zu verbieten. Vielmehr gehe es darum, "uns mit ihm zusammen dafür einzusetzen, dass er einen Ausgleich erhält".

Bsirske räumte ein, dass die Gewerkschaften in den Wachstumsbereichen der New Economy schwach seien. Deshalb müsse sich Verdi öffnen. Individualisierung sei "kein Schreckgespenst, das die gewerkschaftliche Solidarität untergräbt, sondern eine positive Herausforderung", sagte Bsirske. Zwar dürfe Verdi die angestammten Mitglieder nicht vernachlässigen; Krankenschwestern, Drucker, Briefträger oder Busfahrer bildeten auch künftig den Kern der Organisation. Doch "diese Gewerkschaft muss in die Forschungszentren, in die Internetbranche und in die kreativen Berufe".

In seinem breit angelegten Grundsatzreferat kritisierte der Verdi-Chef die Beschäftigungspolitik der Bundesregierung. Seit Beginn der rot-grünen Koalition sei die Arbeitslosigkeit um rund 300 000 gesunken. "Das ist angesichts der lang andauernden Hochkonjunktur und des Exportbooms verdammt wenig", sagte Bsirske. Verdi werde in nächster Zeit drei beschäftigungspolitische Schwerpunkte setzen: Qualifizierung als Gegenstand von Tarifverträgen, den Abbau von Überstunden und drittens "die Möglichkeit bezahlter Freistellungen für Bildung, Freizeit oder Familie, während der Arbeitsplatz befristet mit einem Arbeitslosen besetzt wird" (Job Rotation). Zur Lohnpolitik sagte Bsirske, die "alte gewerkschaftliche Erfahrung" habe sich in den vergangenen Jahren bestätigt, dass Lohnverzicht keine Arbeitsplätze bringe. Diese Erkenntnis werde sich auf die Tarifrunde 2002 auswirken.

Zur künftigen Zusammenarbeit, insbesondere mit der IG Metall, sagte Bsirske, "wir wollen neue Mitglieder für die Gewerkschaften gewinnen und nicht den anderen alte abwerben". Arbeitsminister Walter Riester ermahnte die neue Gewerkschaft in einem Grußwort, zu ihrer zentralen Aufgabe gehöre es, "Konkurrenz untereinander auszuschalten".

alf

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