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Ist Mario Draghi zu weit gegangen, als er das Anleihekaufprogramm OMT in Aussicht stellte?

© dpa

Verfassungsgericht zum Anleiheprogramm: Wie weit darf die Europäische Zentralbank gehen?

Das Bundesverfassungsgericht fällt am Dienstagvormittag ein wegweisendes Urteil: Es geht um die Frage, ob die EZB ihr Mandat beim Anleihekaufprogramm OMT überdehnt hat.

Ökonomen sprechen von einem Schicksalstag für die Euro-Zone. Und das zwei Tage bevor die Briten über den Brexit entscheiden. Am heutigen Dienstag ab 10 Uhr fällen die Verfassungsrichter in Karlsruhe ihr Urteil über das Anleihe-Kaufprogramm OMT der Europäischen Zentralbank (EZB). Es könnte gravierende Folgen haben – sowohl für das seit März vergangenen Jahres laufende Programm zum Kauf von Staatsanleihen der Euro-Länder als auch für das jüngste Projekt, den Kauf von Unternehmensanleihen (QE).

„Das Urteil ist völlig offen“, sagt Michael Schubert, EZB-Beobachter der Commerzbank. Zumal der zuständige zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sich wohl nicht einig ist. Dass die Verfassungsrichter mit ihrem Urteil das laufende Anleiheprogramm der Währungshüter stoppen können, glaubt Schubert zwar nicht. „Allerdings könnte eine weitere Ausweitung des Programms schwierig werden.“

Im Kampf gegen die niedrigere Inflation und die schwache Kreditnachfrage kauft die EZB seit März vergangenen Jahres Anleihen der Euro-Staaten – mittlerweile gibt sie dafür monatlich 80 Milliarden Euro aus. Insgesamt hat sie bereits Papiere für mehr als 830 Milliarden Euro übernommen. Bis März nächsten Jahres soll noch einmal der gleiche Betrag dazukommen.

Es geht um ein Programm, das nie aktiviert wurde

Das OMT-Programm, um das es nun vor dem Bundesverfassungsgericht geht, hat die EZB dagegen nie aktiviert. Im Juli 2012 hatten es die Währungshüter aufgelegt, um Krisenländern zu helfen. Die EZB werde alles tun, was nötig sei, um die Euro-Zone zu retten, hatte EZB-Präsident Mario Draghi damals gesagt. Allein die Ankündigung des OMT-Programms sorgte für eine Entspannung der Lage, die Renditen der Staatsanleihen der Krisenländer fielen deutlich. Freilich löste die EZB damit auch scharfe Kritik aus. Mit OMT (kurz für: Outright Monetary Transactions) habe die Notenbank ihre Kompetenzen überschritten, dies sei indirekte Staatsfinanzierung. Weil diese der EZB verboten ist, zogen Kläger vor das Verfassungsgericht, unter anderem der CSU-Politiker Peter Gauweiler und die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.

2013 kam es zur ersten Verhandlung. Die Richter baten den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um Prüfung. Der gab grünes Licht für das Kaufprogramm und schickte die Klage zurück nach Karlsruhe. Jetzt müssen die Bundesverfassungsrichter klären, ob OMT von der Verfassung gedeckt ist oder ob das allein dem Bundestag obliegende Recht über den Haushalt dadurch beschnitten wird. Schließlich würde der Bund haften, wenn OMT umgesetzt würde und ein Euro-Staat pleiteginge. Vor allem diese „Haftungsvergemeinschaftung“ hatte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann im Februar bei der Verhandlung in Karlsruhe kritisiert. Er ist erklärter Kritiker des OMT-Programms. EZB-Direktor Yves Mersch dagegen hatte betont, es gebe keine überhöhten Ausfallrisiken.

Stellen die Verfassungsrichter sich gegen den EuGH?

In einer ersten Einschätzung hatten die Verfassungsrichter 2014 die Auffassung vertreten, dass die EZB ihr Mandat überdehnt. „Es ist unwahrscheinlich, dass sie jetzt diese Sichtweise mehr oder weniger vollständig einsammeln“, sagt Schubert. Die Verfassungsrichter dürften sich kaum gegen den EuGH stellen, weil dies einen Rechtstreit innerhalb der EU bewirken würde. Schubert tippt auf einen Kompromiss, ähnlich wie ihn der Freiburger Ökonom Lars Feld vorschlägt. Mit anderen renommierten Wissenschaftlern empfahl er im Februar, das Anleiheprogramm gutzuheißen – aber dennoch keinen Freibrief zu erteilen. Der EZB müsse deutlich gemacht werden, „dass man nicht einfach machen kann, was man will“. Feld warnt aber vor einer kompletten Ablehnung des Programms. Dies könne dramatische politische Folgen haben.

So deutet vieles auf einen Kompromiss hin. Die Richter könnten urteilen, dass sich die Bundesbank nur bedingt an einem OMT-Programm beteiligen darf und so das Kaufvolumen begrenzt wird. „Damit würde es der EZB schwerer fallen, QE-Staatsanleihekäufe nochmals auszuweiten“, sagt Schubert. Genau das hatte die EZB erst im März beschlossen. Ausgestanden ist das Thema der Anleihekäufe für die Karlsruher Richter damit jedoch nicht: Es gibt bereits die nächste Verfassungsbeschwerde – diesmal gegen das QE-Programm.

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