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Verhandlungen: Opel ist gerettet

UPDATE Die 25.000 Opel-Beschäftigten in Deutschland können aufatmen: Bund, Länder sowie der Opel-Mutterkonzern General Motors, der Investor Magna und das US-Finanzministerium haben sich in der Nacht zum Samstag in Berlin auf ein Rettungskonzept verständigt. Der Opel-Betriebsrat zeigt sich zufrieden.

Damit ist der Weg frei für den dringend benötigten Überbrückungskredit an Opel und das lange umstrittene Treuhand-Modell. Opel soll damit aus dem GM-Verbund herausgelöst und nicht von einer Insolvenz des Mutterkonzerns mitgerissen werden, deren Verkündung durch US-Präsident Barack Obama am Pfingstmontag erwartet wird. Magna will alle vier deutschen Opel- Standorte erhalten.

Wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) nach den gut sechseinhalbstündigen Gesprächen im Kanzleramt mitteilte, besteht die Einigung aus drei wesentlichen Punkten. So gebe es einen Vorvertrag ("memorandum of understanding") zwischen GM und dem kanadisch- österreichischen Magna-Konzern, der zusammen mit russischen Partnern bei Opel einsteigen will. Hinzu komme ein Treuhand-Vertrag, der in Kürze rechtswirksam umgesetzt werden müsse und der die "dingliche Sicherung" für den Bund regele. Schließlich liegt laut Steinbrück ein Konsortialvertrag für den staatlichen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro vor.

Keine leichte Entscheidung

Magna will laut Steinbrück kurzfristig benötigte Finanzmittel bereits in der nächsten Woche bereitstellen, ehe der Bund und die Länder die Voraussetzungen für die Zwischenfinanzierung geschaffen haben - auch unter Einbeziehung der jeweiligen Parlamente.

"Sie können sich sicher sein, dass wir uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht haben", sagte Steinbrück. Alle Beteiligten seien sich der Risiken bewusst. "Aber diese Risiken waren abzuwägen auch gegen die Risiken (...) für den Fall, dass Opel insolvent gegangen wäre."

Steinbrück zufolge ist der Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro das letzte Angebot. Alle Beteiligten hätten sehr deutlich gemacht, dass sie trotz der Bundestagswahl Ende September nicht bereit sein würden, "irgendetwas draufzulegen." Damit solle signalisiert werden, dass Bund und Länder nicht erpressbar seien. Die Zwischenfinanzierung solle mittelfristig innerhalb von fünf Jahren in einen 4,5-Milliarden-Bürgschaftsrahmen umgewandelt werden.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) trägt das Konzept trotz Bedenken mit. Er machte deutlich, dass er zu einer anderen Einschätzung der Risiken gekommen sei. In der Gesamtschau aber sei die Bundesregierung zu dem Schluss gekommen, dass das weitere Verfahren mitgetragen werden solle: "An dieser Mitgestaltung werde ich mich auch beteiligen", sagte Guttenberg.

Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich zufrieden mit der Lösung: "Die Perspektive für Opel steht". Natürlich könne niemand für die Zukunft alle Risiken ausschließen. "Aber ich glaube, wir haben wirklich eine verantwortbare Lösung gefunden", sagte er.

"Tragfähige Lösung"

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verwies darauf, dass den Verträgen auch die Haushaltspolitiker in Hessen und Nordrhein-Westfalen zustimmen müssten. Die Länder, in den die FDP mitregiert, hätten klare Bedingungen an ein staatliches Engagement gestellt. "Ich bin der Auffassung, dass diese Bedingungen erfüllt sind", sagte Koch.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bezeichnete die Einigung als "tragfähige Lösung". Der Standort Bochum habe damit eine Zukunftsperspektive bekommen. Es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Neben dem Modell Zafira werde dort auch das Elektroauto Ampera produziert.

Der Ko-Vorstandsvorsitzende von Magna, Siegfried Wolf, sagte: "Wir sind jetzt in den nächsten Wochen unterwegs, mit allen Ländern Gespräche zu führen, wo Opel-Standorte sind. Wir sind sehr zuversichtlich, Lösungen zu finden, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten." Nach den Worten des GM-Europa-Chefs Carl-Peter Forster ist Opel im Moment absolut gerettet: "Das ist der Beginn einer neuen Zukunft für Opel, die Mitarbeiter und die Marke." Neue finanzielle Forderungen von GM sieht Forster momentan nicht.

Die IG Metall in Nordrhein-Westfalen begrüßte, "dass der Staat nun endlich Klarheit geschaffen hat." Die "Hängepartie" sei für die Opel- Beschäftigten in ganz Europa eine Zumutung gewesen, sagte Bezirksleiter Oliver Burkhard. "Jetzt können wir nach vorne schauen." Entscheidend an der jetzigen Lösung sei der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

GM bereitet sich auf Insolvenz vor

Unterdessen laufen in den USA die Vorbereitungen zur Insolvenz der Opel-Mutter GM auf Hochtouren. Pfingstmontag endet ein von Obama gestelltes Ultimatum zur Vorlage eines tragfähigen Konzepts für das Überleben des gut 100 Jahre alten GM-Konzerns. Im Weißen Haus wird die Insolvenz bereits als letzte Chance ins Auge gefasst. Das Beispiel des Autobauers Chrysler - der vor einem Monat in die Insolvenz ging - "ist ein hoffnungsvolles Beispiel für General Motors", sagte der Sprecher des Präsidenten Robert Gibbs am Freitag in Washington.

Bereits bis Samstagabend müssen die Gläubiger entscheiden, ob sie die zur Rettung von GM geplante weitgehende Verstaatlichung mittragen. In diesem Fall wird auf eine schnelle Sanierung von GM gehofft, wobei der Staat die Finanzierung übernehmen würde. Berichten zufolge sind mindestens 50 Milliarden Dollar nötig - neben den bereits geleisteten Hilfen von knapp 20 Milliarden Dollar.

Die Rettung von Opel hat beim Betriebsrat des Autobauers große Erleichterung ausgelöst. "Da ist ein Riesenstein von uns gefallen", sagte Opel-Gesamtbetriebsrat Klaus Franz am Samstag dem Audiodienst der dpa. "Das war natürlich ein unglaublicher Druck über ein halbes Jahr hinweg." Franz betonte, der Einstieg des Zulieferers Magna sei die richtige Lösung: "Wir werden hart an unserer Zukunft arbeiten müssen. Aber ich sehe eine hervorragende Zukunft zusammen mit Magna und General Motors (GM) in der Minderheitenbeteiligung für dieses Traditionsunternehmen."

Es sei aber noch unklar, wo welche Fahrzeuge in Zukunft gebaut werden. Zugleich sei es nicht zu vermeiden, dass die derzeitige Zahl der Beschäftigten von rund 26.000 nicht gehalten werden könne: "Es wird ohne Personalabbau nicht gehen", sagte Franz.

Der Gesamtbetriebsrats-Chef zeigte sich erleichtert, dass es nicht zu einer Fusion mit dem italienischen Autobauer Fiat kommen wird. "Diese Megafusionen in einem Markt, in einer Industrie, die an Überkapazitäten leidet, kann nicht funktionieren", sagte Franz. Er kenne keine große Fusion in der Autobranche, die in den vergangenen Jahren funktioniert habe.

Nach der vorläufigen Rettung des Autobauers Opel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Häufung von Staatshilfen verteidigt. "In dieser Krise muss der Staat stärker helfen, als er das normalerweise tut", sagte Merkel am Samstag in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft in Berlin. "Aber dies tun wir nur unter der Prämisse, dass der Staat weiß, dass er nicht der bessere Unternehmer ist." Zugleich wies die Kanzlerin den Vorwurf zurück, der Staat rette große Firmen wie Opel, kümmere sich aber nicht ausreichend genug um kleine Firmen.

Man müsse in dieser Krise dafür Sorge tragen, dass sich die die Marktkräfte wieder voll entfalten können. Merkel: "Durch die internationale Störung der Finanzmärkte war und ist dies nicht der Fall. Nur das rechtfertigt das besondere Eingreifen des Staates." Der deutsche Staat will bei Opel einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro geben, um eine Insolvenz des Autobauers abzuwenden.

Merkel: kleine und große Betriebe sind wichtig

Merkel betonte, die kleinen und die großen Betriebe seien gleichermaßen wichtig. "Viele Menschen haben die Angst, wir helfen nur den Großen und nicht den Kleinen. Das ist absolut nicht richtig. Jeder Arbeitsplatz ist für uns gleich viel wert", sagte die Kanzlerin. Sie verwies etwa auf die Konjunkturprogramme des Bundes, die Entlastungen auch für kleine und mittlere Unternehmen bringen sollen.

Merkel pries erneut das Modell der Sozialen Marktwirtschaft, um künftige Krisen zu vermeiden. Die Soziale Marktwirtschaft beruhe darauf, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt werde. Die Wirtschaftskrise sei von einer internationalen Krise der Finanzmärkte ausgegangen. "Ich sage: Eine solche Krise hätte es nicht gegeben, wenn wir weltweit die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft angewandt hätten", betonte Merkel. Der frühere Wirtschaftsminister und "Vater" dieses Modells, Ludwig Erhard, habe gewusst, dass der Staat der Hüter der Ordnung sein müsse.

Ziel müsse sein, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft auch auf das globale Wirtschaften anzuwenden. Um eine Wiederholung der Krise zu verhindern, brauche die Weltordnung mehr Regeln. "Dafür kämpfen wir - die Bundesregierung gemeinsam mit den europäischen Ländern." Die Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft müsse in Zeiten der Globalisierung weiter gehen - "in die Welt hinein", sagt Merkel. (nal/dpa)

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