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Wirtschaft: Verheerende Prognosen für 2003

Wirtschaftsforscher befürchtet „Sturzflug der Konjunktur“/Nachtragshaushalt entspricht nicht der Verfassung

Berlin (msh/fw/HB). Die Aussichten für die deutsche Konjunktur werden immer schlechter. Der Konjunkturindex des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sank im November auf 4,2 Punkte unter das Niveau vom Oktober 2001. Das BEdeutet nach Einschätzung des ZEW eine erhöhte Rezessionsgefahr. Der Expertenrat „Fünf Weise“ erwartet nur noch 1,0 Prozent Wachstum für 2003. Wegen der schlechten Wirtschaftslage muss die Regierung ihre Etatplanung überarbeiten und die Verschuldung erhöhen.

„Die Erwartungen signalisieren einen Sturzflug der Konjunktur in der ersten Jahreshälfte 2003“, erklärte ZEWPräsident Wolfgang Franz. Vor allem die Unwägbarkeiten der weltpolitischen Lage und nicht zuletzt die Befürchtungen der Finanzexperten über den weiteren Kurs der deutschen Wirtschaftspolitik hätten zu dem schlechten Ergebnis geführt. Der Konjunkturindex des ZEW ergibt sich aus einer Befragung von 300 Wirtschaftsexperten. Auch der Sachverständigenrat der „Fünf Weisen“ geht für 2003 von einem Wachstum von nur einem Prozent aus und befindet in seinem Gutachten, das heute vorgestellt wird, die Regierung habe den „falschen Weg“ in der Wirtschafts- und Finanzpolitik eingeschlagen.

Positive Signale kamen am Dienstag aus der Exportwirtschaft, die im September um 10,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zulegen konnte. Nach Ansicht des Chefvolkswirts der Hypo-Vereinsbank, Martin Hüfner, gebe es international aber kaum Impulse für mehr Wachstum. „Zwar wird die Inflation nächstes Jahr voraussichtlich zurückgehen, aber die Konsumenten werden deshalb nicht mehr einkaufen und die Unternehmen nicht mehr investieren“, sagte Hüfner.

Die Wirtschaftskrise wirkt sich inzwischen immer stärker auf den Bundeshaushalt aus. Steuerschätzern zufolge fehlen dem Staat in den Jahren 2002 und 2003 jeweils 16 Milliarden Euro an Einnahmen. Am Mittwoch legt der Arbeitskreis seine Prognosen vor. Wegen der Einnahmeausfälle muss die Regierung deshalb einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2002 verabschieden und für 2003 ihre Etatplanungen überarbeiten. Der Sachverständigenrat rechnet damit, dass die Neuverschuldung des Bundes auch im kommenden Jahr jenseits der Maastricht-Grenze liegen und 3,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen wird. Finanzminister Hans Eichel (SPD) versicherte am Dienstag, das Defizit werde unterhalb der Grenze liegen.

Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Antje Hermenau, erwartet eine Haushaltslücke von acht bis neun Milliarden Euro in 2002. „Sechs Wochen vor dem Jahresende können wir diese Lücke nur über eine höhere Netto-Neuverschuldung stopfen“, sagte Hermenau dem Tagesspiegel. Wahrscheinlich werde die Regierung mit dem Nachtragshaushalt die Vorgaben der Verfassung verfehlen. „Das kann passieren“, sagte Hermenau. Das Grundgesetz fordert, dass die Investitionen des Staates über der Neuverschuldung liegen müssen. Finanzminister Eichel muss in diesem Fall eine „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ feststellen. Direkte Folgen hat das aber nicht.

Für das kommende Jahr erwartet Hermenau beim Bund Einnahmeausfälle bis zu fünf Milliarden Euro. „Um diese Ausfälle zu kompensieren, brauchen wir einschneidende Maßnahmen“, sagte Hermenau. Die bisher von der Koalition beschlossenen Sparvorschläge reichten nicht. Daher müssten die Ministerien mit Einschnitten rechnen. „Wir müssen uns bis Ende 2003 durchhungern und parallel dazu die Strukturreformen der Sozialsysteme angehen, um den Haushalt zu sanieren“, sagte Hermenau. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, um die Einnahmen zu erhöhen, schloss die Regierung am Dienstag erneut aus. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte, eine Steuererhöhung stehe aus wirtschaftlichen Gründen nicht zur Debatte.

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