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Wirtschaft: Verhexte Winterwelt

Weil es zu warm ist, haben Winterreifen- und Heizölhändler kaum zu tun. Sie könnten Ski fahren gehen – wenn es Schnee gäbe

Berlin - Dort, wo im Frühjahr die Hexen fliegen, sollten sich um diese Jahreszeit eigentlich die Wintersportler tummeln. Doch von Skifahrern, Snowboardern und Rodlern ist auf dem Harzer Brocken derzeit keine Spur. Wo sollten sie auch fahren? „Hier ist alles grau in grau“, sagt Miriam Götze vom Harzer Verkehrsverband. „Uns fehlt der Schnee.“ Gerade mal zehn Zentimeter der weißen Flocken lagen zum Wochenende auf dem Brocken. Wenn es keinen Kälteeinbruch gibt, befürchtet die Tourismusbeauftragte, dann werden die Gästebetten im Januar und Februar leer bleiben.

Allzu viele Hoffnungen sollten sich Götze und andere Warmwetteropfer nicht machen. Einer britischen Studie zufolge soll 2007 weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden. Auch die Deutschland-Prognose für die nächsten Tage klingt nicht unbedingt nach klirrender Kälte. „Nach mitunter längeren Niederschlagspausen am Sonntag zieht zum Wochenbeginn der nächste Tiefdruckausläufer mit vielen Wolken und Regen durch“, heißt es bei Wetteronline.de.

Nicht nur die Skigebiete in den deutschen Mittelgebirgen haben dadurch ein Problem. Auch die Verkäufer von Skibekleidung klagen – obwohl die Ski-Lage in den Alpen deutlich besser ist. „Es ist katastrophal“, sagt etwa Jürgen Merker, Inhaber des Sportgeschäfts „Ski-Hütte“ in Berlin-Charlottenburg. Während sich Skier und Skischuhe so gut verkauften wie im vergangenen Jahr, seien die Lager voll mit Skibekleidung. Merker verramscht die Sachen jetzt zum Schnäppchenpreis. Auch beim Konkurrenten Karstadt-Sporthaus, auf der anderen Seite der Straße, ist die Winterbekleidung um 30 bis 40 Prozent reduziert. „Aufgrund der Witterung gehen wir mit mehr Ware in den Schlussverkauf als im Vorjahr“, sagt Manfred Sellink, der Abteilungsleiter Winterbekleidung.

Wegen des warmen Wetters bleiben auch die Reifenhändler auf ihren Winterreifen sitzen. „Die Lagerbestände sind um 30 Prozent höher als in den Vorjahren“, sagt Peter Hülzer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk. In den Vorjahren seien die Läger zum Jahreswechsel nahezu geräumt gewesen. „Die Lage ist dieses Jahr schwierig.“

Dabei hatte der Verband Ende vergangenen Jahres noch vor Engpässen gewarnt: Die Industrie produziere nicht genug Reifen, um die wegen der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung und der Änderung der Straßenverkehrsordnung höhere Nachfrage decken zu können, rügte Hülzer im November 2006. 1,5 Millionen zusätzlich hergestellter Winterreifen seien nicht genug. Es kam anders. „Die Industrie hat nach unserer Warnung weiter für den Winter produziert, statt wie üblich auf Sommerreifen umzustellen“, sagt Hülzer. Nun seien die Läger übervoll, wie erste Stichproben bei Händlern ergeben hätten.

Die Verbraucher freut es. „Es wird einen deutlichen Druck auf die Preise geben“, prognostiziert Hülzer, in dessen Verband bundesweit 1800 Händler mit 3500 Filialen organisiert sind.

Auch Europas größter Produzent von Streusalz, die Kasseler K+S AG, bekommt den milden Winter zu spüren. „Wir haben deutlich weniger Sofort- und Ersatzlieferungen“, sagt ein Sprecher. Der Grund: Die Vorräte bei den Straßenmeistereien sind größtenteils noch gar nicht angebrochen worden. K+S stellt in regulären Wintern mehr als zwei Millionen Tonnen Auftausalz pro Jahr her – knapp ein Drittel der gesamten Salzproduktion. „Das Geschäft ist ganz wichtig für uns“, sagt der Sprecher. K+S tröstet sich mit der meteorologischen Empirie: Oft beginne der Winter erst im ersten Quartal eines Jahres.

Darauf hoffen auch die Brennstoffhändler. Obwohl die Heizölpreise mit 54,40 Euro je 100 Liter derzeit so niedrig sind wie lange nicht, bleiben sie auf ihren Vorräten sitzen. „Zurzeit ist es sehr ruhig“, sagt Horst Gohling, Geschäftsführer des Mitteldeutschen Handelsverbandes für Brennstoffe, Mineralöle und Energieservice. Viele Kunden hätten sich bereits zwischen August und Dezember 2006 mit Heizöl eingedeckt, als sich der Preis zum ersten Mal wieder entspannte. Weil sie wegen der Wärme auch weniger verbraucht haben als üblich, sind die Tanks der Verbraucher nach Angaben des Ölkonzerns Esso noch zu rund 65 Prozent gefüllt – ein Rekordwert für diese Jahreszeit.

Während der Absatz im vergangenen Jahr um rund sechs Prozent anstieg, rechnen die Brennstoffhändler für dieses Jahr bereits mit einem Rückgang des Heizölabsatzes. „Es könnte ein Minus von fünf Prozent werden“, sagt Verbandsvertreter Gohling. Definitiv könne er das aber erst im April sagen. Erst dann steht fest, ob der Winter wirklich Pause gemacht hat.

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