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Ein Mautschild auf der Stadtautobahn von Rostock.

© dpa

Verkehrspolitik und Maut: Das komplizierte Plaketten-System von Alexander Dobrindt

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will mit gestaffelten Plaketten Maut eintreiben - aber nur von ausländischen Autofahrern. Das wird aufwändig. Dabei will außer der CSU eigentlich niemand das Abgabensystem.

Einen besseren Zeitpunkt für die Vorstellung seiner Maut-Pläne hätte Verkehrsminister Alexander Dobrindt, 44, kaum finden können. Die meisten Abgeordneten sind seit vergangenem Freitag auf dem Weg in die Sommerferien. Ebenso die Nordrhein-Westfalen und ab Mittwoch auch Berliner und Brandenburger. Viele werden sich in Richtung Süden aufmachen – und dort feststellen, dass vielerorts Maut zu zahlen ist: in Frankreich, der Schweiz, Italien, Österreich und mehreren anderen Ländern Europas. Nur die Deutschen kassieren bislang nichts. Daran dürften sich die Urlauber nun erinnern. Die Bayern fordern ohnehin seit Jahren, dass Ausländer dafür bezahlen sollen, auf deutschen Straßen herumfahren zu dürfen – das belegen Umfragen. Nur Lastwagen sind derzeit von der Maut betroffen.

Wie sieht der Maut-Plan von Alexander Dobrindt aus?

Dafür, dass die Maut Dobrindts wichtigstes Projekt in dieser Wahlperiode sein dürfte, präsentierte er sich am Montag erstaunlich unaufgeregt und nahezu emotionsfrei. Euphorie hätte zu dem komplexen Vorhaben, das sich seine Leute ausgedacht haben, allerdings auch kaum gepasst. Jeder, der auf Deutschlands Straßen unterwegs ist, muss in Zukunft eine Vignette an der Scheibe kleben haben. Und das unabhängig davon, ob er auf einer Dorfstraße unterwegs ist oder auf einer sechsspurigen Autobahn. Das Ziel ist allerdings, dass nur Ausländer zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Sie können künftig zwischen Vignetten für zehn Tage, zwei Monate und ein Jahr wählen. Während die Kurzzeit-Aufkleber pauschal zehn und 20 Euro kosten, ist der Preis der Jahresvignette abhängig vom Alter, der Umweltfreundlichkeit und dem Hubraum des Autos. Die Berechnung ist also angelehnt an die Systematik der Kraftfahrzeug-Steuer. Im Durchschnitt, kalkuliert Dobrindt, zahlten ausländische Autofahrer demnächst 88 Euro pro Kopf und Jahr. Zu bestellen sind die Aufkleber im Internet. Auch an Tankstellen soll man sie kaufen können, dort allerdings nur zu einem Pauschalpreis von 100 Euro. Deutsche Autobesitzer sollen von dem neuen System so wenig wie möglich spüren. „Sie müssen sich um nichts kümmern“, versprach der Minister aus Oberbayern. Die Plakette werde den Deutschen automatisch zugeschickt. Dass es keine Mehrbelastung der Bundesbürger geben soll, versicherte Dobrindt immer wieder – in der knapp einstündigen Pressekonferenz insgesamt viermal.

Warum ist das System so kompliziert?

Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD muss die Ausländer-Maut drei Bedingungen erfüllen: Sie soll einen nennenswerten finanziellen Beitrag bringen, darf deutsche Autofahrer nicht mit einem Cent zusätzlich belasten und muss mit EU-Recht kompatibel sein. Vor allem dieser Punkt ist kompliziert – eine direkte Verrechnung von Kfz-Steuer und Maut darf es nicht geben, das hat EU-Verkehrskommissar Siim Kallas kürzlich noch einmal klargestellt. Dobrindt umgeht das Problem mit einem Trick: Er nennt die Maut „Infrastrukturabgabe“ und lässt sowohl deutsche als auch ausländische Autofahrer dort einzahlen. Zugleich wird die Kfz-Steuer gesenkt – aber in einem separaten rechtlichen Schritt. „Wie es seine Steuern ausgestaltet, ist jedem Land überlassen, argumentiert der 44-Jährige. Die EU-Kommission, so ist zu hören, hält eine Lösung der Frage nicht für unmöglich – immerhin arbeiten Dobrindt und seine Leute ja auch seit Monaten an nichts anderem.

Brutto sollen 800 Millionen Euro zusammenkommen, netto – also nach Abzug der Kosten für Verwaltung und Erhebung – bleiben nach dem Kalkül des Verkehrsministeriums 600 Millionen Euro pro Jahr. Das ist weder besonders viel noch eine besonders gesicherte Annahme – derzeit lässt sich nur schätzen, wie viele Kilometer ausländische Autofahrer hierzulande abspulen und wie sie auf eine Maut reagieren würden. Das deutsche Straßennetz ist gut 640.000 Kilometer lang – jeder Meter davon müsste eigentlich in Zukunft kontrolliert werden. Das ist kaum zu schaffen. Bei der Lkw-Maut helfen die Maut-Brücken über den Autobahnen bei der Überwachung, für alle Straßen ist das aber keine Option. Dobrindt zufolge ist noch unklar, ob das Bundesamt für Güterverkehr, der Zoll oder die Polizei diese Kontroll-Aufgabe übernehmen sollen.

Dobrindts Problem ist, dass sich alle Parteien außer seiner CSU mehr oder weniger einig sind.

Ein Mautschild auf der Stadtautobahn von Rostock.
Ein Mautschild auf der Stadtautobahn von Rostock.

© dpa

Eigentlich will keine Partei die Maut - bis auf die CSU

Dobrindts Problem ist, dass sich alle Parteien außer seiner CSU mehr oder weniger einig sind, dass die Ausländer-Maut überflüssig ist. Zwar hat es das Projekt in den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD geschafft, die Anforderungen, die das Konzept erfüllen muss, sind aber hoch. Quer stellen werden sich allerdings wohl in erster Linie Leute aus der zweiten Reihe, vor allem aus der SPD. Denn die CSU hat die Projekte, die den Sozialdemokraten wichtig waren – die Rente mit 63 oder den Mindestlohn – weitgehend mitgetragen. Nun fordert die CSU im Gegenzug Vertragstreue. Lehnt sich die SPD nun gegen Dobrindt und dessen Übervater Horst Seehofer auf, riskiert sie einen ernsthaften Koalitionsknatsch.

Auch die CDU dürfte das Konzept nur dann hintertreiben, wenn sich abzeichnen sollte, dass eine Einigung mit der EU-Kommission nicht zu machen ist. Geschickt ist allerdings der Schachzug, die Bundesländer an den Einnahmen zu beteiligen. Die unter der Schuldenbremse ächzenden Bundesländer reklamieren schon lange mehr Geld für ihre Infrastruktur, die schließlich den größten Teil der deutschen Straßen ausmacht. Mehrere Minister haben bereits Begehrlichkeiten angemeldet. Zwar hat die große Koalition im Bundesrat keine Mehrheit, aber die Zustimmung kann sie sich so womöglich erkaufen.

Es gibt auch Schattenseiten

Das hat allerdings auch eine Schattenseite: Die Netto-Einnahmen von 600 Millionen Euro, die beim Bund verbleiben, dürften so noch einmal geringer werden. Nicht unrealistisch wäre es, wenn die Länder die Hälfte der Einnahmen für sich reklamierten. Es blieben also 300 Millionen Euro zusätzlich für die Infrastruktur. Dabei hatten zwei Fach-Kommissionen zuletzt unabhängig voneinander die Investitionslücke bei Schienen, Straßen und Wasserwegen auf mehr als sieben Milliarden Euro geschätzt. Das Problem der bröckelnden Infrastruktur wäre also durch die Ausländer-Maut keinesfalls gelöst. Das hat Minister Dobrindt allerdings auch nie versprochen. Er setzt mit der Maut einen Wunsch der CSU um, den diese bereits seit rund 30 Jahren hegt. Entstanden ist er durch die besondere geografische Lage Bayerns – bei Ausflüge zu den südlichen Nachbarn müssen sie für die Fahrten bezahlen, während andersherum kein Geld fließt.

Und bei alledem ist noch nicht klar, wie letztlich die EU auf die Maut-Pläne des deutschen Verkehrsministers reagieren wird. Mehrere Nachbarländer, die keine Maut erheben, könnten beispielsweise eine Klage gegen Deutschland erheben und so das Gesetz womöglich zu Fall bringen. Das wäre peinlich für die Bundesrepublik – und mit Sicherheit das Ende der politischen Karriere von Alexander Dobrindt.

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