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© dpa

Verschwendung: Senat äußert sich zu Vorwürfen gegen das DIW

Kommenden Mittwoch gibt der Senat seine Stellungnahme zu den Vorwürfen des Berliner Rechnungshofs gegen das vom Land finanzierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ab.

Berlin - Früher, so erzählt ein Mitarbeiter des DIW, habe das Institut auf drei Säulen gestanden: Präsident, Abteilungsleiter und Belegschaft. Das war die Zeit vor dem Jahr 2000. „Jetzt gibt es nur noch eine Säule, und die steht auf zwei Beinen.“ Gemeint sind die Beine von Klaus F. Zimmermann. Seit 2000 ist der 1952 in Göppingen geborene Zimmermann Präsident des größten deutschen Wirtschaftsinstituts. Seit November steht er im Mittelpunkt einer Affäre, die für den Gelehrten unbegreiflich ist. Ein paar Erbsenzähler des Rechnungshofes, so meint Zimmermann, mosern über die Verwendung von Steuergeldern durch die DIW-Führung. Der Präsident sorgt sich nun um die Freiheit der Wissenschaft und sieht überhaupt das ganze Institut bedroht.

Zimmermann ist extrem misstrauisch. Protokolle banaler Abteilungsleiterrunden werden als streng vertraulich deklariert. Wenn es eben geht, klärt er Dinge im Vier-Augen-Gespräch. „Ansonsten ist das ein großer Zauderer“, sagt ein DIW- Mitarbeiter über seinen Chef. „Alles, was ihm persönlich nicht nutzt, entscheidet er nicht.“ In den zentralen Abteilungen des Hauses traut er niemandem, deshalb hält es auch keiner lange dort aus. Die Fluktuation ist enorm, schon seit längerem gibt es keinen Vizepräsidenten, der aber dringend zur Entlastung des Vielreisenden und Vielbeschäftigten Zimmermann gebraucht würde. Denn der ist auch noch Chef des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit und überhaupt ständig in der Welt unterwegs – zum Beispiel auch in der kommenden Woche.

Am 9. Februar vor dem Arbeitsgericht lässt sich Zimmermann deshalb vertreten. Der DIW-Betriebsrat klagt gegen den Präsidenten, weil der den Bericht des Rechnungshofes und seine Entgegnung darauf der eigenen Belegschaft vorenthält. Typisch Zimmermann. Einen Tag später dann will die Senatsverwaltung für Wissenschaft, die das DIW beaufsichtigt, ihren Bericht zur Affäre dem Rechnungshof zustellen. Und den Berliner Parlamentariern, die sich dann im Hauptausschuss und im Ausschuss für Bildung und Forschung mit dem Fall befassen müssen. „Wir werden den Senat grillen“, heißt es bei den Grünen, die der von Jürgen Zöllner (SPD) geführten Wissenschaftsverwaltung einen Verstoß der Aufsichtspflicht vorwirft.

Damit nicht genug, hat die Grünen- Fraktion der Berliner Staatsanwaltschaft die bislang vorliegenden Berichte mit der Bitte geschickt, mögliche Straftatbestände zu prüfen. Ein Verdacht auf Untreue schwebt über Zimmermann, insbesondere was den Umgang mit dem DIW DC in Washington betrifft. „Vermutlich Mitte der Woche wird entschieden, ob die Unterlagen Anlass geben, in Ermittlungen einzutreten“, sagt Ulf- Hartwig Hagemann, Leiter der Hauptabteilung zur Verfolgung von Straftaten. Im Mittelpunkt der staatsanwaltschaftlichen Prüfung: Struktur und Rechtsgrundlage der Beziehung zwischen DIW und DIW DC. Wenn es tatsächlich zu Ermittlungen kommen sollte, wird es eng für Zimmermann. Und ärgerlich für den Senat, der gerade erst maßgeblich beteiligt war an der Verlängerung des Präsidentenvertrags um weitere fünf Jahre.

Zimmermanns wissenschaftliche Reputation ist einigermaßen unstrittig. Neben seinem Konkurrenten Hans-Werner Sinn, dem Chef des Münchner Ifo-Instituts, steht er in der ersten Reihe der deutschen Ökonomen. Selbst Zimmermann-Gegner würdigen den großen Fleiß des „Arbeitstieres“ Zimmermann. Fast alle Leiter der Forschungsabteilungen des Instituts haben dieser Tage in einem Schreiben an die Kuratoriumsmitglieder auf die Leistungen Zimmermanns für das Profil des DIW hingewiesen.

Die stellt auch Lutz Hofmann nicht in Abrede, der Vorgänger Zimmermanns an der Spitze des Instituts. „Die Präsenz in internationalen Zeitschriften hat er vorangetrieben, das hat er sehr gut gemacht“, lobt Hoffmann. Und für das Erscheinungsbild der deutschen Ökonomie im Ausland sei sein Wirken positiv. Negativ dagegen beurteilt der Vorgänger den wirtschaftspolitischen Einfluss des Instituts. „Das ganze institutionelle Wissen, die Beurteilung des wirtschaftspolitisch Machbaren“, habe in den vergangenen zehn Jahren unter Zimmermann gelitten. Das Institut ist „heute akademischer und war früher näher an der Wirtschaftspolitik“, sagte Hoffmann dem Tagesspiegel am Sonntag. Es habe sozusagen einen Paradigmenwechsel von der Politikberatung zur Grundlagenforschung gegeben.

Und politisch habe Zimmermann „das Institut gedreht“, indem er Richtung neoklassischer Theorie gegangen sei. Aus ganz banalen Gründen: Mit dem unter Hoffmann noch gepflegten keynesianischen Ansatz habe Zimmermann „beim Establishment der Ökonomie keinen Blumentopf gewinnen können“.

Inzwischen habe sich, auch unter dem Eindruck der Finanzkrise, der Wind gedreht, und nicht zuletzt US-Ökonomen und Wirtschaftspolitiker betonten wieder die nachfrageorientierte Sicht auf die Ökonomie. Doch die langjährigen keynesianische Stützen des DIW, Heiner Flassbeck und Gustav Horn, sind schon lange weitergezogen. Die Konjunkturabteilung des DIW ist  unter Zimmermann zu einer der schwächsten Bereiche degeneriert.

Beanstandungen des Rechnungshofes wegen einer nicht sachgerechten Mittelverwendung habe es in seiner Zeit nicht gegen, sagt Hoffmann. Er wäre allerdings auch nicht mit dem Institut von Dahlem nach Mitte gezogen und hätte auch nicht ein Institut in Washington gegründet. „Wenn man in der US-Szene mitspielen will, dann ist die Präsenz dort wichtig.“ Aber sollte das DIW dort überhaupt mitspielen wollen? „Ich habe das nicht verstanden“, sagt Hoffmann. Aber das ist auch nicht wichtig für Klaus Zimmermann. Der muss auf das Verständnis der Berliner Politik und der Staatsanwaltschaft hoffen.

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