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Versicherer werben für private Vorsorge: Verbandschef Alexander Erdland: "Die Riester-Rente lebt"

Die Riester-Rente ist besser als ihr Ruf, sagt die Branche und stellt Nettorenditen von drei Prozent in Aussicht.

Alexander Erdland
Alexander Erdland

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Riester-Rente lebt: Wie kann eine Reform gescheitert sein, für die sich mehr als 16 Millionen Menschen entschieden haben? Weltweit gibt es kein freiwilliges Vorsorgesystem, das eine annähernd große Zustimmung erfährt. Ein Gegenbeispiel: Auch in Großbritannien ist eine Vorsorge-Reform für gescheitert erklärt worden. Die sogenannte Stakeholder-Pension. Sie wurde aber auch nur 1,7 millionenfach nachgefragt.

Zahl der Verträge geht zurück

Richtig ist, dass sich nicht alle Erwartungen erfüllt haben, die 2002 an die Riester-Reform geknüpft wurden. Tatsächlich hat die Riester-Rente in den vergangenen Jahren an Dynamik verloren – 2015 ist die Zahl der Riester-Sparer erstmals zurückgegangen. Da gibt es nichts schönzureden. Ein Grund dafür dürfte sein, dass sich bei vielen Sparern das Vorurteil festgesetzt hat, Riestern lohne sich bei Zinsen nahe dem Null-Zins nicht mehr. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Gerade in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen zeigt sich die besondere Stärke der Riester-Rente.

Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat 1.275 Riester-Angebote von Versicherungen, Banken und Fondsgesellschaften analysiert. Das erfreuliche Fazit der Experten: Selbst wenn man nur den aktuell unterlegten Höchstrechnungszins von 1,25 Prozent als Anlageergebnis unterstellt, erzielen Riester-Policen dank staatlicher Förderung immer noch Nettorenditen von über drei Prozent pro Jahr – wohlgemerkt bei einer Inflationsrate knapp über null Prozent.

Familien und Geringverdiener, die von besonders hohen Förderquoten profitieren, erzielen sogar eine noch bessere Verzinsung.  Wer beklagt, dass diese respektablen Renditen hinter den 2002 erwarteten Werten zurückbleiben, lässt die Niedrigzinsphase  außer Acht.  Negative Anleiherenditen lagen vor 14 Jahren außerhalb der Vorstellungswelt.

Das Gleichgewicht von Alt und Jung gerät aus dem Lot

Wegen der Niedrigzinsen brauchen wir mehr private Vorsorge, sonst kippt die Balance von  Jung und Alt: 2015 standen 842.000 Jugendlichen im Alter von 18 Jahren rund  993.000 Senioren im Renteneintrittsalter von 65 Jahren gegenüber. Bereits 2029 liegt das Verhältnis bei 708.000 Schulabgängern zu mehr als 1,3 Millionen Neurentnern. Wenn wir uns diese Entwicklung vergegenwärtigen, ist klar: Vorsorge-Instrumente wie Riester sind keine Auslaufmodelle – sie sind die Zukunft! Wir müssen von den 16 Millionen Riester-Verträgen auf das Doppelte kommen. Und alles, was dazu beiträgt, ist gut.

Freibetrag für Geringverdiener

Überfällig ist ein Riester-Freibetrag für Menschen, die im Alter auf Grundsicherung vom Staat angewiesen sind. Bislang droht ausgerechnet Geringverdienern trotz starker Riester-Förderung, dass sie im Alter faktisch leer ausgehen. Denn eine Riester-Rente wird nach wie vor auf die Grundsicherung angerechnet. Warum aber soll jemand Geld für das Alter zurückzulegen, wenn er hinterher nichts davon hat?  Dieser Systemfehler ließe  sich ohne großen Aufwand beheben,  zum Beispiel durch einen Freibetrag in der Grundsicherung von 100 Euro für die freiwillige Eigenvorsorge.

Auch auf die modernen Erwerbsbiografien muss ein intelligentes privates Vorsorgesystem reagieren. Immer weniger Menschen sind ein Arbeitsleben lang abhängig beschäftigt. Daher muss Riester für alle Bevölkerungsgruppen geöffnet werden – also auch für Solo-Selbstständige und Nicht-Erwerbstätige. Die Einzahlung in die Verträge könnte flexibler werden: Die Sparer sollten die Beitragszeiten nachholen können, wenn sie mal aussetzen.

Neue Förderbeträge

Nicht zuletzt muss die Riester-Förderung dringend an die gestiegenen Einkommen und damit den höheren Vorsorgebedarf angepasst werden. Aktuell müssen Versicherte immer mehr Geld selbst aufbringen, um die gleiche Förderung zu bekommen. Ein alleinstehender Arbeitnehmer, der den Mindestlohn verdient, muss heute drei Euro bezahlen, um einen Euro staatliche Zulage zu erhalten. Das sind fast 30 Prozent mehr als 2002. Umgekehrt reicht der Höchstbeitrag von jährlich 2.100 Euro für so manchen qualifizierten Facharbeiter nicht mal mehr aus, um vier Prozent des eigenen Einkommens anzusparen.

Weniger Bürokratie

Das muss übrigens nicht bedeuten, dass die Förderung für den Staat immer teurer wird. Die Kosten der Vorsorge-Produkte könnten sinken, wenn es Modelle gäbe mit einer automatisierten Einbeziehung in die zusätzliche Vorsorge. Zudem müssen wir Riester entbürokratisieren. Es gibt eine riesige staatliche Verwaltung mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, die jede kleinste Veränderung in den Einkommensverhältnissen der Kunden kontrolliert. Ein Viertel der Kosten der Riester-Produkte, so schätzen wir, sind Kosten der Zulagenverwaltung.

Kosten werden gesenkt

Selbstverständlich sehen auch wir Versicherer Möglichkeiten, Riester-Sparen für eine große Zahl von Menschen noch attraktiver zu gestalten. Die einmalig einkalkulierten Abschlusskosten wurden bereits um 40 Prozent gesenkt. Die Versicherungsunternehmen sind dabei, über Automatisierung die Verwaltungskosten weiter zu senken. Und wir vereinfachen die Kostendarstellung, damit Kunden verschiedene Riester-Produkte besser miteinander vergleichen können. Ab 2017 gibt es standardisierte Informationsblätter, die Chancen und Risiken der Riester-Verträge aufzeigen und darstellen, wie stark die Abschluss- und Verwaltungskosten die Rendite der Produkte belasten.

Die Riester-Rente ist ein gutes Produkt, das noch besser werden kann. Wer Riester jetzt schlecht redet, stellt die Reform von 2002 grundsätzlich in Frage und gefährdet langfristig die Leistungsfähigkeit unseres Rentensystems. Wer jetzt ein Konzept verteufelt, für das er vor 15 Jahren geworben hat, zerstört Vertrauen  –  auf das wir dringend angewiesen sind, um unser Rentensystem zukunftsfest zu machen.

Alexander Erdland ist Präsident des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft

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