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Blitzkarriere. Mehmet Göker (Mitte) hat mit dem Verkauf von Versicherungen Millionen verdient – und es übertrieben. 2009 ging sein Unternehmen pleite.

© picture alliance / dpa

Versicherungen: Mit 25 Jahren die erste Million

Versicherungsmakler bekommen für jede verkaufte Police Geld. Doch wie viel, wissen die Kunden nicht. Die Politik will das ändern.

Von Carla Neuhaus

Mit gerade einmal 25 Jahren verdient Mehmet Göker seine erste Million. Sein Erfolgsrezept: Er verkauft private Krankenversicherungen übers Telefon und kassiert dafür Provisionen, manchmal mehrere tausend Euro pro Kunde. In nur drei Jahren baut Göker so ein Unternehmen auf, das mit dem Verkauf von Versicherungspolicen einen Umsatz von 65 Millionen Euro macht. Eine Zeit lang ist er eine der schillernsten Figuren in der Versicherungsbranche – bis sein Unternehmen pleitegeht und Göker vor Gericht landet.

Gut 250 000 Versicherungsmakler arbeiten derzeit in Deutschland. Auch wenn die wenigsten von ihnen Makler à la Göker sind, hat ihr Berufsstand keinen guten Ruf. Das Problem: Sie verdienen nur dann gut, wenn sie möglichst viele Versicherungen an den Mann bringen. Freie Makler leben ausschließlich von Provisionen. Vermittler arbeiten dagegen nur für ein bestimmtes Versicherungsunternehmen: Sie verdienen zwar ein Grundgehalt, stocken das aber durch Provisionen auf. Lediglich Honorarberater kassieren kein Geld für die von ihnen verkauften Verträge.

„Provisionen machen Versicherungen oft teurer, als sie eigentlich sein müssten“, sagt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Oft wüssten die Verbraucher gar nicht, wie hoch die Provision des Maklers ist. Bislang müssen Versicherungsmakler ihre Provisionen nur auf Anfrage offenlegen. Das soll sich jetzt ändern. Künftig sollen die Makler den Kunden vor Vertragabschluss mitteilen müssen, wie viel sie an dem Geschäft verdienen. Das steht in einer EU-Richtlinie, die Binnenmarktkommissar Michel Barnier an diesem Dienstag vorlegen will. Laut Entwurf soll die Regelung für Lebensversicherungen sofort gelten – für alle anderen Policen ist eine Schonfrist von drei Jahren vorgesehen.

Verbraucherministerin Ilse Aigner hofft, dass die geplante Richtlinie eine höhere Kostentransparenz für die Kunden bringt. „Verbraucher müssen wissen, was sie zu welchen Konditionen erwerben, welcher Anteil ihres Geldes in das Finanzprodukt fließt und welcher Anteil in Provisionen und andere Kosten“, sagte ein Ministeriumssprecher. Dem Bund der Versicherten (BDV) geht der Vorstoß der EU-Kommission aber noch nicht weit genug. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider nur ein Trippelschritt“, kritisiert BDV-Vorstandschef Axel Kleinlein. „Was wir bräuchten, ist ein einheitliches Formular, in das Makler dann auch die Höhe ihrer Provision eintragen müssen.“ Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Makler ihre Einnahmen im Kleingedruckten verstecken.

Nach Ansicht des Verbands Deutscher Versicherungsmakler ist zudem nicht genau genug geregelt, wer Versicherungen vermitteln darf. Zwar muss sich jeder Makler bei der Industrie- und Handelskammer registrieren lassen. „Doch die im Vermittlerregister erfassten Daten wie Name, Adresse, Geburtsdatum, formaler Status und Registernummer schaffen für den Verbraucher nicht den erhofften Mehrwert“, bemängelt Verbandspräsident Peter Wesselhoeft. Zudem werde später nicht mehr überprüft, zu wie vielen Versicherungen der Makler Geschäftsbeziehungen habe. So könne sich auch jemand als unabhängiger Makler bezeichnen, der nur mit ein oder zwei Versicherungen zusammenarbeitet. „Dadurch wird der Verbraucher eher irregeführt als aufgeklärt“, fürchtet Wesselhoeft.

{Bei der Privaten Krankenkasse sind die Provisionen jetzt gedeckelt}

Besonders hoch sind die Provisionszahlungen bei Lebens- und Krankenversicherungen, weil diese Versicherungen oft für ein Leben lang abgeschlossen werden. Gerade bei der Vermittlung privater Krankenversicherungen (PKV) hat das Folgen: Weil sich die Makler stärker an den Provisionen als an den Bedürfnissen der Kunden orientieren, würden „PKV-Tarife mit teilweise existenziellen Leistungsausschlüssen im Krankheitsfall verkauft“, heißt es in einer aktuellen Studie des Instituts für Mikrodaten-Analyse (IFMDA).

Bislang wurden die Provisionen frei zwischen Makler und Versicherungsunternehmen ausgehandelt. „Dadurch gab es gerade bei privaten Krankenversicherungen in der Vergangenheit oft Provisionsexzesse“, sagt Thomas Drabinski, Leiter des IFMDA. Nicht selten hätten die Makler Provisionen von bis zu 20 Monatsbeiträgen kassiert – bei einem Beitrag von 500 Euro im Monat sind das 10 000 Euro. Seit April sind die Provisionen bei der Vermittlung privater Krankenversicherungen auf maximal 9,9 Monatsbeiträge gedeckelt. Der Bund der Versicherten hält diese Grenze allerdings immer noch für zu hoch. „Das weckt zu viele Begehrlichkeiten bei den Maklern“, sagt Verbandschef Kleinlein. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass Makler einem Kunden nur raten, die Versicherung zu wechseln, damit sie selbst die Provision kassieren können. Forscher Drabinski bestätigt das – eine Provision von vier bis fünf Monatsbeiträgen für den Verkauf einer privaten Krankenversicherung sei ausreichend. „Je höher die Provision, desto mehr ist der Makler nur auf den Vertragsabschluss fixiert und weniger darauf, auch ein gutes Versicherungsprodukt zu verkaufen“, sagt Drabinski.

Hinzu kommt: Bereits jetzt gibt es Anzeichen dafür, dass die Makler die Grenze umgehen, sagt Forscher Drabinski. So würden die Makler etwa zusätzlich zur Provision von den Versicherern eine „Dienstleistungsvergütung“ bekommen – zum Beispiel für etwaige Verwaltungsaufgaben, die der Makler der Versicherung abnimmt. Eine Verbesserung gibt es allerdings: Makler erhalten künftig die volle Provision für den Verkauf einer privaten Krankenversicherung erst, wenn der Kunde auch mindestens fünf Jahre bei der Versicherung bleibt.

Generell gilt: Die Kunden sollten den Makler stets nach Alternativen zu einem bestimmten Versicherungsvertrag fragen – und sich bei jedem Vorschlag nach der Höhe der Provision erkundigen. „So laufen die Kunden nicht so schnell Gefahr, ein Produkt nur deshalb verkauft zu bekommen, weil der Makler damit am meisten verdient“, hofft Verbraucherschützer Grieble.

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