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Auf der Suche nach Vertrauen. Deutschlands Versicherungen haben ein schlechtes Image.

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Versicherungen und ihr Vertriebskodex: Nur wenige setzen Regeln bislang um

Um Vertrauen zurückzugewinnen, setzen zahlreiche Versicherungen auf verbindliche Regeln für eine kundenorientierte Beratung. Doch die Umsetzung bereitet vielen Unternehmen offenbar Schwierigkeiten.

Versicherer haben ein Imageproblem. Das ist nicht erst seit der Sexparty von Ergo-Vertretern in der Gellert-Therme zu Budapest so, nein, selbst in der Weltliteratur genießen Versicherungsunternehmer keinen guten Ruf. In den Buddenbrooks von Thomas Mann ist der größte Bösewicht ein Versicherungsdirektor: Hugo Weinschenk ist unsympathisch, neureich – und ein Betrüger. Am Ende landet er sogar im Gefängnis.

Der Präsident des Versicherungsverbands GDV will das Image der Branche erneuern

Alexander Erdland, Präsident des Versicherungsverbands GDV, kennt all diese Geschichten. „Für manchen Knick in der Beliebtheitsskala sind wir selbst verantwortlich“, räumte der Verbandschef vor wenigen Wochen auf dem Versicherungstag in Berlin selbstkritisch ein. Und gelobte Besserung. „Wir werden versuchen, Wiederholungen zu vermeiden, aus Fehlern zu lernen“, versprach Erdland den Millionen Kunden der Versicherungsbranche, die sich nicht nur über schlechte Berater, sondern auch über sinkende Renditen der Lebensversicherung ärgern. „Schritt für Schritt treiben wir die Erneuerung der Versicherungswirtschaft voran.“

Viele Unternehmen haben einen Verhaltenskodex unterschrieben

Doch wenn es um den Vertrieb geht und den Umgang der Unternehmen mit ihren Vermittlern, bewegt sich die Branche eher mit Trippelschritten. Zwar haben sich inzwischen 211 Unternehmen einem branchenweiten Verhaltenskodex angeschlossen, in dem Regeln für eine bessere, kundenorientierte Beratung aufgestellt werden. „Gemessen an den Beitragseinnahmen repräsentieren diese rund 85 Prozent des Marktes“, heißt es stolz beim Versicherungsverband. Doch wenn es darum geht, die Regeln verbindlich unternehmensintern umzusetzen und sich dabei – wie vom Kodex ebenfalls vorgeschrieben – von externen Fachleuten überprüfen zu lassen, fällt die Erfolgsbilanz deutlich weniger rosig aus.

Nur wenige Firmen lassen von Externen überprüfen, ob die Regeln eingehalten werden

Nach Tagesspiegel-Informationen können bislang nur wenige Versicherer ein solches verbindlich vorgeschriebenes Testat des Wirtschaftsprüfers vorweisen. In einem ersten Schritt wird überprüft, ob die Maßnahmen, die ein Unternehmen ergriffen hat, angemessen sind. In einer zweiten, späteren Stufe soll dann auch noch kontrolliert werden, ob die Regeln wirklich wirken. Zu den wenigen Unternehmen, die zumindest den ersten Schritt getan haben und die Angemessenheit ihrer Vertriebsvorgaben mit entsprechenden Testaten der Wirtschaftsprüfer belegen können, gehören die beiden Branchengrößen Ergo und Allianz. Die Allianz hat bereits seit vergangenem Juli einen solchen Prüfbericht, die Ergo seit Herbst. Seit der Sexaffäre bemüht sich die Tochter der Munich Re ganz besonders um einen Imagewandel. „Wir von der Ergo haben sehr aktiv daran mitgewirkt, dass der Kodex zustande kommt, und wir sind ganz vorne mit dabei“, sagte Ergo-Chef Torsten Oletzky dem Tagesspiegel. Nach dem ersten Testat will der Versicherer 2015 nachlegen. „Wir werden die Wirksamkeit der Regeln - das ist der zweite Teil des Kodex - im nächsten Jahr überprüfen lassen“, kündigt Oletzky an. „Versicherungen sind Vertrauensprodukte, deshalb muss man hier besonders sensibel sein“, mahnt der Ergo-Chef.

Gewinner und Verlierer unter den Lebensversicherungen
Gewinner und Verlierer unter den Lebensversicherungen

© Tsp

Verbraucherschützer kritisieren den Vertriebskodex als "Luftnummer"

Andere haben es nicht so eilig. Beim Verband hat man dafür Verständnis. Unternehmen, die dem Kodex beigetreten sind, müssen dem GDV ihre Prüfergebnisse erstmalig vier Monate nach Ablauf eines vollen Geschäftsjahrs nach Beitritt vorlegen und sich dann nach zwei Jahren erneut prüfen lassen. „Unternehmen, die dem Kodex bereits im Jahr 2013 beigetreten sind, müssen dem GDV ihr Prüfergebnis bis Ende April 2015 vorlegen“, sagte ein Verbandssprecher dem Tagesspiegel. Ein paar Monate Zeit bleiben also noch. Verbraucherschützer tröstet das nicht. „Das ist eine Katastrophe“, sagte Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten. „Dass bislang kaum ein Unternehmen das Testat des Wirtschaftsprüfers hat, lässt befürchten, dass der Vertriebskodex eine Luftnummer ist.“ Für die Kunden, sagt Kleinlein, habe sich bislang nicht viel geändert. „Es hat in der Beratung keine echte Verbesserung gegeben“, kritisiert der Verbraucherschützer.

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