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Fluggäste stehen am Dienstag vor dem Abflugschalter der Tuifly auf dem Flughafen in Hannover.

© dpa

Verspätungen bei Air Berlin und Tuifly: Juristen erwarten Entschädigungen für Passagiere

Air Berlin und Tuifly müssen mit Kosten in Millionenhöhe rechnen. Sie müssen die Wartenden entschädigen und Ersatzmaschinen besorgen.

Reiserechtsexperten schätzen, dass Air Berlin und Tuifly wegen der Flugausfälle Kosten in Millionenhöhe haben. Neben Ausgaben für die Verpflegung der Wartenden und für Ersatzmaschinen müssten sie die Passagiere für Annullierungen und Verspätungen entschädigen. Die Airlines haften für die Crew-Engpässe, teilte die Internet-Plattform FairPlane am Montag mit. Personalmangel sei kein „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung, der die Firmen von Ausgleichszahlungen befreie.

„Dass Mitarbeiter krank werden, gehört zum täglichen Risiko eines Betriebs“, sagte Ronald Schmid, Professor für Luftverkehrsrecht und FairPlane-Sprecher, „Luftfahrtunternehmen müssen darauf vorbereitet sein und reagieren können, ohne dass Fluggäste Schaden nehmen“. Kunden, deren Flug gestrichen wird oder mit mehr als dreistündiger Verspätung ankommt, können – je nach Entfernung – zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung verlangen.

Verspätungen auch am Dienstag

Nach dem Flugausfällen am Montag hat für viele Fluggäste die Reise auch am Dienstag vereinzelt mit stundenlangen Verspätungen begonnen. Tuifly begründete die Beeinträchtigungen des Flugbetriebs mit kurzfristigen Krankmeldungen ihrer Flugzeugbesatzungen. Es habe Verspätungen gegeben. „Rund 70 Prozent aller Flüge konnten jedoch pünktlich durchgeführt werden“, teilte die Airline mit. Die Crew-Engpässe bei der Tuifly führten auch beim Partner Air Berlin zu Verspätungen und Streichungen. „Flugausfall heißt aber nicht, dass die Fluggäste nicht an ihr Ziel kommen - wir bemühen uns um Ersatz“, sagte eine Airline-Sprecherin.

Betroffen waren neben den Flughäfen Berlin-Tegel, Hannover und Hamburg auch Frankfurt und Stuttgart. Als Hintergrund der Turbulenzen werden der tiefgreifende Umbau der hoch verschuldeten Air Berlin und damit einhergehende Veränderungen bei Tuifly gesehen - ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Besatzung für Air Berlin. Am Freitagabend war bekanntgeworden, dass Tuifly in eine neue Dachholding mit einer anderen Airline integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter fürchten Job-Verluste - am Tuifly-Sitz in Hannover gab es daher nach Angaben des Betriebsrats am Dienstag „Krisensitzungen“, zu denen am Nachmittag Tuifly-Aufsichtsratschef Henrik Homann erwartet wurde.

„Das werden wir so nicht hinnehmen, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“

Homann hatte die Mitarbeiter nach einer Aufsichtsratssitzung am Freitagabend über geplante Veränderungen unterrichtet, wonach die Airline in einem neuen Verbund aufgehen könnte. An der vom Air-Berlin-Aktionär Etihad und einem dritten Partner gehaltenen Holding hätten die Hannoveraner dann nach Medienberichten einen Anteil von 25 Prozent - sie würden nur noch die Abnahme eines bestimmten Anteils der Flüge garantieren. Ein Arbeitnehmer-Krisenstab, der sich daraufhin gebildet hatte, kündigte Widerstand gegen die Pläne des Konzerns an. „Das werden wir so nicht hinnehmen, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte Betriebsratschefin Karin Grobecker der Deutschen Presse-Agentur.

Die Mitbestimmungsgremien seien von den Plänen des Managements überrascht worden: „Wir sind völlig entsetzt und befürchten massiven Arbeitsplatzabbau, wenn die Tuifly in eine österreichische Plattform geholt wird.“ Die Crew-Engpässe seien keine Aktion des Krisenstabs. „Aber die Betroffenheit unter dem fliegenden Personal ist groß - dass sich einige da nicht wohl und fit zum Fliegen fühlen, war zu erwarten“, so Grobecker. Sorge bereitet ihr auch die Frage, wer künftig an der zu bildenden Dach-Holding neben Etihad und Tuifly als dritter Partner die verbleibende 50-Prozent-Beteiligung übernimmt.

Zudem glaubt sie nicht an eine Garantie des bisherigen Tarifgefüges für die Tuifly-Belegschaft: „Wir zweifeln das an.“ Spätestens nach zwei Jahren würden diese Garantien nicht mehr gelten. Die Piloten-Vereinigung Cockpit wie auch die Gewerkschaft Verdi sehen das ähnlich. Das Vorgehen des Managements sei „fragwürdig, riskant und vollkommen intransparent“, betont Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. „Mit den Geheimverhandlungen zum Verkauf der Tuifly ins Ausland führt die Tui AG nicht nur frühere Sparpakete und Personalabbaurunden ad absurdum, sondern verunsichert Beschäftigte und Kunden gleichermaßen.“ Verdi befürchtet die Eingliederung der Tuifly in den Betrieb der bisherigen Air-Berlin-Tochter Niki in Österreich. Dort seien die Löhne über 20 Prozent niedriger als bei der Tuifly, so dass nun Lohndumping drohe. (mit dpa)

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