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Wirtschaft: Verzweifelt Anschluss gesucht

Investoren wollen endlich Geld mit Windkraft auf hoher See verdienen – scheitern aber am Regelwerk.

Berlin - Wenn es nach den Bayern ginge, wäre heute viel mehr los am plattdeutschen Strand. Die Stadtwerke München (SWM) wollen in nur 13 Jahren genügend klimafreundlichen Grünstrom erzeugen, um damit ihre schmucke Metropole komplett versorgen zu können. Da der Freistaat aber zu den windstillsten Regionen Deutschlands gehört und selbst dort die Sonne nicht immer scheint, haben sich die Stadtwerke relativ früh in zwei Windparkprojekte in der Nordsee eingekauft.

Diesen Sommer sollen die SWM-Partner den Bau des Parks Dan Tysk vor Sylt beginnen, Ende Dezember wollen die Münchener noch weiter hinaus – zum Park Global Tech I rund 93 km nördlich der Insel Juist in Wassertiefen von bis zu 41 Metern. Allein mit den beiden Parks könnten die Münchener genug Strom erzeugen, um mehr als die Hälfte aller 741 000 Haushalte grün zu versorgen. Das Problem: Das niederländische Unternehmen Tennet, das das Höchstspannungsnetz an der deutschen Nordseeküste betreibt und alle Windparks anschließen soll, hat mitgeteilt, dass die Münchener sich gedulden müssen.

Bereits im November warnte Tennet die Bundesregierung in einem Schreiben, das seither als „Tennet-Brandbrief“ viele Offshore-Investoren in Aufregung versetzt. Darin hieß es, die Errichtung von Anschlüssen sei „in der bisherigen Form nicht länger möglich“. Wegen der „ständig steigenden Zahl von Anschlusspetenten“ stießen alle Beteiligten an die Grenzen ihrer Ressourcen. Außerdem gab Tennet zu Protokoll, dass es offenbar Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Windparkanschlüsse gibt.

„Das alles ist nicht hinnehmbar“, sagt Christian Vogt, der bei den SWM für das Projekt verantwortlich ist. Man brauche den Anschluss – wie gesetzlich zugesichert – spätestens 30 Monate nach der Baugenehmigung. Nicht in 36, 40 oder gar 50 Monaten. Sollte die Windparks betriebsbereit sein, aber kein Kabel liegen, fürchtet SWM Verluste in dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr. „Dann schließen wir auch eine Schadenersatzklage gegen Tennet nicht aus“, sagt Vogt.

Ihm sei bewusst, dass das Problem nicht allein bei Tennet liege. Auch die beiden dominierenden Lieferanten für Seekabel und Hochsee-Umspannwerke, Siemens und der Schweizer Wettbewerber ABB, können offenbar nicht schnell genug liefern. In der Branche kursiert die Annahme, die beiden Ausrüster hätten ihre Produktionskapazitäten bewusst nicht aufgestockt, um nicht auf den Komponenten sitzenzubleiben.

Schließlich sollte es schon viel früher losgehen mit dem Windkraftabenteuer. Die Finanzkrise ab Herbst 2008 brachte viele Projekte zum Stillstand. Doch jetzt ist alles anders: Die Bundesregierung hat den Atomausstieg doch durchgesetzt und das alte Ziel bekräftigt, bis zum Jahr 2030 so viel Strom auf See zu erzeugen, wie rund 25 Akw erzeugen. Da kann es Energieerzeugern und Finanzinvestoren gar nicht schnell genug gehen – zumal ihr auf See erzeugter Strom mit 19 Cent je Kilowattstunde von Stromkunden über acht Jahre garantiert teuer bezahlt wird.

Als Beschleunigungslösung schlug die Bundesnetzagentur vor, dass Investoren wie die Münchener eine Kaution bei Tennet hinterlegen, um ihre ernsthafte Bauabsicht zu belegen. Das lehnen die im „Offshore Forum Windenergie“ organisierten Windparkprojektierer als ungerecht und nicht zielführend ab. Auch der BDEW als Dachverband der Energiewirtschaft ist da skeptisch. Das geht aus einem am Donnerstag vorgelegten langen Vorschlagspapier zur Beschleunigung von Netzanschlüssen hervor. Der Gesetzgeber müsse eher eine „Grundlage für ganzheitliche Ausbaupläne schaffen“, heißt es da. Am liebsten hätte die Branche ein Meerstromnetz wie einen Maschendrahtzaun. Derzeit sehe die Planung eher nach Spaghettiteller aus, heißt es in der Branche.

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