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Wirtschaft: Viele Bahnkunden werden falsch beraten

Studie: Zu teure Fahrkarten und zu lange Verbindungen / Verkehrsminister Stolpe stützt Bahnchef Mehdorn

Berlin (hop/ce/hej). Fast jeder dritte Bahnkunde, der am Schalter eine Fahrkarte kauft, erhält nicht das beste Angebot. Bei 30,7 Prozent der Reisenden seien die Tickets zu teuer, die Reisedauer zu lang oder sei zu häufiges Umsteigen empfohlen worden. Das ergab ein Praxistest des Qualitätsforschungsinstituts Quotas im Auftrag des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und des Magazins „Stern“, der am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde. In einer Stellungnahme schrieb die Bahn nach Veröffentlichung der Ergebnisse, sie nehme die Untersuchung „sehr ernst“ und werde sie „genau analysieren“.

Die Bahn war schon vor der eigentlichen Einführung des neuen Preissystems im vergangenen Dezember immer wieder in die Kritik geraten. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) stellte sich aber am Mittwoch hinter die Führung des Konzerns, der immer noch zu 100 Prozent dem Bund gehört. Stolpe sagte dem Tagesspiegel: „Ich habe Vertrauen in den Bahnvorstand.“ Er sei sich sicher, dass die Bahn nicht „rechthaberisch auf das Preissystem besteht“, sollten sich Schwachpunkte herausstellen. „Ich erwarte, dass man sich das sehr genau ansehen wird“, sagte Stolpe.

Der Verkehrsminister ist damit wesentlich zurückhaltender als das Verbraucherministerium. Erst vor wenigen Tagen hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Matthias Berninger (Grüne), mehrere Forderungen an die Bahn formuliert, die nun auch der VCD weitgehend aufstellte.

Preissystem zu kompliziert

Der VCD forderte, ab sofort wieder eine Bahncard mit 50 Prozent Ermäßigung anzubieten. Außerdem müssten die Bedingungen für die Frühbucherrabatte „Plan & Spar“ deutlich vereinfacht und die Stornogebühren gesenkt werden. Nur so werde die Bahn wieder mehr Kunden gewinnen können. Als Beweis dafür, dass die Tarife zu kompliziert seien, führte der VCD an, dass die Tester dem Schalterpersonal im Durchschnitt fast die Note „gut“ gegeben hätten. „Der Fehler liegt im System“, sagte VCDBundesgeschäftsführer René Waßmer.

Mit Sonderangeboten will die Bahn in der zweiten Jahreshälfte umsteuern. Einzelheiten stehen allerdings noch nicht fest. Und an den Fundamenten des neuen Preissystems will Bahnchef Hartmut Mehdorn damit bisher auch nicht rütteln.

Die Eisenbahnergewerkschaft Transnet hat vor kurzem gewarnt, die Bahn verpasse das eigentliche Ziel der in den 90er Jahren gestarteten Bahnreform, mehr Fahrgäste und Güter auf die Schiene zu bekommen. Es drohe ein Scheitern der Bahnreform. Transnet hatte deshalb das Bahnmanagement und die Bundesregierung aufgefordert, bei der Bahn für einen Strategiewechsel zu sorgen. Stolpe sagte dagegen, er teile die Befürchtungen von Transnet nicht. „Ich habe den Eindruck, dass keine falschen Weichen gestellt worden sind.“ Das hindere aber niemanden daran, darüber nachzudenken, wo etwas zu verbessern wäre. Stolpe selber wolle aber keine Verbesserungsvorschläge machen. „Mit der Eisenbahnreform wollte der Gesetzgeber die privatwirtschaftliche Organisationsform der Bahn. Für die Preispolitik ist der Vorstand zuständig. Wir wollen Herrn Mehdorn nicht durch alle möglichen Vorschläge das Leben schwer machen.“

Positiv bewertete Stolpe, dass die Investitionsmittel des Bundes für die Bahn fast vollständig verwendet werden konnten. In den Jahren zuvor war das wegen Planungsengpässen nicht gelungen. Außerdem sieht Stolpe einige Erfolge im Nahverkehr, unter anderem im Berliner Umland. „Hier ist noch Wachstum möglich.“ Allerdings musste die Bahn im vergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang bei den Fahrgastzahlen hinnehmen. Und zu Beginn des laufenden Jahres musste die Bahn zugeben, ihre eigenen Planziele nicht getroffen zu haben. Die Bahn konzentriert sich stark auf die Kapitalmarktfähigkeit des Konzerns und einen möglichen, teilweisen Börsengang im Jahr 2005. Unterstützung erhält Bahnchef Mehdorn auch hier von Stolpe: „Mit der Privatisierung der Bahn hat sich Deutschland für eine wettbewerbsfähige Bahn entschieden.“

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