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Wirtschaft: Vielfalt oder Einheit

Im Streit um die Zukunft des Tarifsystems verhärten sich die Fronten / Beamtenbund gegen DGB

Berlin - Der Ton wird schärfer im Streit um die Zukunft des Tarifsystems. „Herr Göhner ist mal wieder ein bisschen zu schnell gesprungen.“ Die Attacke auf Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ritt am Freitag der Tübinger Jurist Hermann Reichold. Dieser hat im Auftrag des Beamtenbundes ein Gutachten erstellt, das die gemeinsamen Pläne von BDA und DGB zur gesetzlichen Regelung des Prinzips „ein Betrieb, ein Tarifvertrag für eine Beschäftigtengruppe“ als verfassungswidrig verwirft. Am Freitag veranstaltete der Beamtenbund ein Symposium zu dem Thema. Reichold zufolge ist die Tarifeinheit „zweckwidrig, verfassungswidrig und unpraktikabel“.

In das gleiche Horn stieß Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL. Seiner Einschätzung nach will die BDA die Berufsgewerkschaften ausschalten, weil es für die Arbeitgeber „billiger ist, mit einer Großgewerkschaft einen Tarif abzuschließen, die nur einen Organisationsgrad von 20 Prozent hat“. Die Alternative dazu seien eben Spezialistenorganisationen wie die GDL, die vor drei Jahren erstmals einen Tarif erstreikte. Heute sind Weselsky zufolge 70 Prozent aller Lokführer in der Gewerkschaft.

Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), der für die Bundesländer Tarifverhandlungen führt, plädierte für die Tarifpluralität, also die Zulässigkeit von so vielen Gewerkschaften wie vorhanden. „Wir können die Pluralität aushalten“, meinte Möllring, „denn als Arbeitgeber muss ich ja auch nicht jeden Tarifvertrag unterschreiben“. Richard Giesen, Jurist in München und auf der Seite von DGB/BDA, plädierte nachdrücklich für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. Nachdem das Bundesarbeitsgericht Mitte des Jahres die Möglichkeit eingeräumt hatte, verschiedene Tarifverträge auf gleiche Arbeitsverhältnisse anzuwenden, drohten nun „Verteilungskämpfe zwischen Arbeitnehmern“ und die „Zersplitterung der Belegschaften“, meinte Giesen. Sogenannte Funktionseliten wie Betriebsfeuerwehren, IT-Experten, Ingenieure oder Kraftwerksfahrer könnten künftig „mittels wenig aufwendiger Arbeitsniederlegungen große Schäden anrichten“.

Die Regierung arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf zur Tarifeinheit, der Anfang Dezember vorliegen soll. alf

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