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Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe analysiert das Fast-Ceta-Debakel und die Rolle der Nato und diskutiert mit Horrorclowns.

Ceta knapp gerettet. Strahlen Europas Sterne nun wieder heller?

Wenn die EU ein richtiger Bundesstaat wäre, hätten die 3,6  Millionen Wallonen ihre Wut nur in Mayonnaise-Fritten ertrinken können; die sind die einzige Klammer, die Belgien noch zusammenhält. Ceta gehört vor das EU-Parlament: heiß debattieren, dann ratifizieren. So bleibt man das Schwergewicht im Welthandel. Die Macht logiert aber in den Regionalparlamenten, Verfassungsgerichten und Referenden, wo hochmobilisierte Minderheiten den 500 Millionen ihren Willen aufzwingen können. Nach dem Fast-Ceta-Debakel und dem kommenden TTIP-Flop kann Brüssel kein glaubhafter Partner bei Handelsgesprächen mehr sein. Gut läuft’s nur noch mit Vietnam, das weder demokratisch noch ein Rechtsstaat ist, aber keinerlei Protest provoziert hat.

Die Nato verstärkt ihre Truppen in Litauen. Schlottern Putin schon die Knie?

Es handelt sich um vier Bataillone, einen „Stolperdraht“, nicht um eine Armee, die bis zu tausend umfasst. Der einstige Stolperdraht entlang der innerdeutschen Grenze bestand aus einer Million Soldaten. Dennoch ist die Entscheidung gut: Statt den Weltpolizisten zu spielen,  ist die Nato ist jetzt wieder dort, wo sie hingehört. Das ist die Ostgrenze, an der Moskau nach langer Pause wieder nagt. Mit seinen 30 000 Mann in der Gegend könnte Putin die Verbände leicht überrumpeln, aber dazu müsste er die Soldaten Amerikas, Deutschlands und England angreifen. Die werfen ein größeres Risiko auf als die kleinen Balten.

Wie werden wir die Clowns wieder los, welche die Republik terrorisieren?

Halt, nicht immer gleich zum Generalverdacht greifen. Die Horrorclowns sind doch nur eine Minderheit unter den wunderbaren Spaßmachern, die unsere Jugend begleitet haben. Manche finden keine andere Arbeit, andere fühlen sich ausgegrenzt und fordern Respekt vor ihrem Anderssein, wenngleich man die Mittel, mit denen sie Aufmerksamkeit heischen, nicht gutheißen kann. WmdW wird, wenn er einen trifft, mit ihm reden, um rauszufinden, was ihn bedrückt und wie man seinesgleichen integrieren kann. Aber vorsichtshalber mit einem Pfefferspray in der Tasche.

Ein noch nicht ganz letztes Wort zum US-Wahlkampf...

WmdW wundert sich, wieso eine Macht, die bekanntlich im Niedergang ist, so viel Aufmerksamkeit bei uns kriegt. Wir sollten lieber der Wahl eines chinesischen Präsidenten entgegenfiebern, dessen Land gerade dabei ist, die USA zu überholen. Hunan-Rock ist schon mal besser als Hard-Rock, und Seegurken sind gesünder als Big Macs. Es sollte uns eigentlich egal sein, wer am 8. November auf dem sinkenden Schiff USS America das Steuer übernimmt. Jetzt zurück zu „Rote Rosen“. Oder zu Putins Wahrheitssender „Russia Today“. 

Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit". Die Fragen stellte Ariane Bemmer.

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