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Wirtschaft: Villalongas teurer Einkauf

Mit der 12,5 Milliarden Dollar teuren Übernahme des amerikanischen Internetportals Lycos drehen Spaniens Telekomriese Telefónica und seine Internettochter Terra Networks den Spieß um. Erstmals übernimmt ein europäischer Konzern eine große amerikanische Internetfirma.

Mit der 12,5 Milliarden Dollar teuren Übernahme des amerikanischen Internetportals Lycos drehen Spaniens Telekomriese Telefónica und seine Internettochter Terra Networks den Spieß um. Erstmals übernimmt ein europäischer Konzern eine große amerikanische Internetfirma. Bisher lief das Spielchen in der Regel umgekehrt: Die Unternehmen aus dem Mutterland der New Economy expandierten diesseits des Atlantiks und schienen der europäischen Konkurrenz weit überlegen zu sein.

Mit dem jetzigen Zusammenschluss entsteht ein wirklich globaler Onlinedienstleister. Die neue Terra-Lycos wird zu den größten Internetfirmen der Welt direkt hinter AOL und Yahoo zählen. Das Unternehmen hat 40 Millionen Nutzer und strebt für das laufende Jahr einen Umsatz von annähernd 600 Millionen Dollar an. Die Partner ergänzen sich gut. Terra - das spanische Pendant des deutschen Marktführers T-Online - gilt als die Nummer eins in der spanisch- und portugiesischsprachigen Welt, also der iberischen Halbinsel und Lateinamerika. Lycos ist das viertgrößte Internetportal in den USA und mit seiner seit kurzem börsennotierten Tochter Lycos Europe auch in Europa gut positioniert. Zusätzlich gestärkt wird die neue Terra-Lycos durch die Allianz mit Bertelsmann. Der deutsche Konzern wird bevorzugter Medienpartner von Terra-Lycos und erschließt sich damit neue Märkte in Spanien und Lateinamerika zur Verbreitung seiner Medien- und E-Commerce-Angebote.

Dass ausgerechnet Telefónica derart aggressiv vorgeht, ist angesichts der konsequenten Multimediastrategie von Konzernchef Juan Villalonga weniger überraschend, als es manchem Beobachter vorkommen mag. Wie kein zweiter europäischer Telekomkoloss setzt Telefónica auf die Konvergenz von Telekommunikation, Internet und Medienindustrie. Unter Villalonga hat sich Telefónica ein beachtliches Medienimperium zusammengekauft, zu dem etwa Spaniens größter privater TV-Sender Antenna 3 zählt. Bisher letztes Glied in der Kette war der Erwerb des niederländischen Fernsehproduzenten Endemol, des Erfinders der TV-Wohngemeinschaft "Big Brother", für erstaunliche 5,5 Milliarden Euro.

Mit dem Lycos-Kauf setzt sich Villalonga jetzt auch beim Internet von seinen europäischen Kollegen ab. Freilich zahlt Telefónica einen hohen Preis. Die Lycos-Titel werden mit 97,5 Dollar bewertet. Das ist eine Prämie von 75 Prozent gegenüber dem Kurs von Freitag, als erste Informationen über die Verhandlungen durchsickerten. Schon den Kauf von Endemol hatten Analysten in Madrid als reichlich teuer eingestuft. Zu dem gleichen Schluss könnte so mancher Experte auch im Fall Lycos kommen. Am Mittwoch fielen die Terra-Aktien bereits um drei Prozent, als erste Gerüchte über die finanziellen Einzelheiten der Operation durchsickerten.

Villalonga selbst dürfte sich mit Lycos etwas Luft verschafft haben. Er war nach der kläglich gescheiterten Fusion von Telefónica mit dem holländischen Telekomkonzern KPN vor wenigen Wochen massiv unter Beschuss geraten. Seitdem wird in Madrid über einen Rücktritt Villalongas spekuliert. Jetzt kann er seinen Kritikern wenigstens entgegenhalten, dass er als erster Europäer ein namhaftes amerikanisches Internet-Unternehmen unter seine Fittiche gebracht hat. Ob das reicht, um seinen Posten zu sichern, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Christian Potthoff

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