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VISITENKARTE Er wacht über Wechselkurse, hilft aus der Krise. Derzeit hoffen die Griechen auf ihn. Der Internationale Währungsfonds ist für viele ein Segen, für manche ein Fluch: Wer ist der IWF?

GEGRÜNDET Der Internationale Währungsfonds (IWF, im Amerikanischen IMF) wurde 1944 bei den Verhandlungen zum Wiederaufbau der Weltwirtschaft im US-Städtchen Bretton Woods gegründet, zeitgleich mit der Weltbank. AUFGABEN Während sich die Weltbank um die ärmeren Länder kümmert, schauen die rund 2700 Experten des IWF auf Währungspolitik und Wechselkurse, um die Zahlungsbilanzen und damit die Entwicklung der Weltwirtschaft zu stützen.

GEGRÜNDET

Der Internationale Währungsfonds (IWF, im Amerikanischen IMF) wurde 1944 bei den Verhandlungen zum Wiederaufbau der Weltwirtschaft im US-Städtchen Bretton Woods gegründet, zeitgleich mit der Weltbank.



AUFGABEN

Während sich die Weltbank um die ärmeren Länder kümmert, schauen die rund 2700 Experten des IWF auf Währungspolitik und Wechselkurse, um die Zahlungsbilanzen und damit die Entwicklung der Weltwirtschaft zu stützen. Sie helfen mit Beratung und in Krisenfällen mit Krediten. Das Kapital kommt von den 187 Mitgliedsstaaten.

AUSSTATTUNG

Derzeit ist die Kasse des Fonds für mögliche Krisenkredite mit insgesamt 750 Milliarden Dollar gefüllt. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat der IWF Kredite im Volumen von 160 Milliarden Dollar ausgereicht.

Seit der Vergewaltigungsvorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn kennen ihn auch diejenigen, die mit internationaler Geldpolitik nichts anfangen können. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) stand Strauss-Kahn bis zum 18. Mai als geschäftsführender Direktor vor. Seitdem wird weltweit über die Frage diskutiert, wer künftig die Geschicke der Organisation leiten soll, die die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik fördern, Wechselkurse stabilisieren und Kredite an bedürftige Staaten vergeben soll. In diesen Tagen ist es das notleidende Griechenland, das auf die Gunst der Washingtoner Währungshüter hofft.

Der Internationale Währungsfonds hat derzeit Kredite im Volumen von insgesamt gut 104 Milliarden Dollar an klamme Staaten ausgereicht. Ist das viel oder wenig?

Die Summe zeigt: Der IWF ist spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2008 wieder in eine wichtige Rolle gerutscht. Mitte 2007 beliefen sich die Ausleihungen auf lediglich 16 Milliarden Dollar. Aufgrund der Krise, aber auch wegen massiver Verschuldungs- und Zahlungsbilanz-Probleme haben viele Staaten den Fonds um Hilfe gebeten.

Wieso war der Fonds zwischenzeitlich kaum gefragt?

Den Experten an der 19. Straße in Washington unweit des Weißen Hauses war dank einer vermeintlich guten Lage der Weltwirtschaft und vermeintlich intakter Staatsfinanzen nicht nur die Arbeit, sondern fast auch das Geld ausgegangen. Die großen Krisen- und Schuldenländer wie Mexiko, Argentinien, Indonesien oder Brasilien hatten ihre Außenstände an den Fonds nahezu komplett zurückgezahlt. Damit fehlten dem IWF notwendige Einnahmen. Kritiker rieben sich schon die Hände und hofften auf das Aus für die ungeliebte Institution.

Warum stand und steht der Währungsfonds in der Kritik?

Der Fonds vergibt Kredite nur mit strengen Auflagen. Staaten, die das Geld benötigen, müssen ihren Haushalt sanieren, die Einnahmen erhöhen und die Ausgaben senken. Wie streng die Anforderungen sind, zeigt sich derzeit an der Griechenland-Krise. Mit den IWF-Strukturanpassungsprogrammen sind meist Steuererhöhungen, etwa der Mehrwertsteuer, die Senkung von Subventionen und die Privatisierung von Staatsbetrieben verbunden. In den armen und ärmeren Ländern werden dadurch Benzin und für das Kochen wichtige Brennstoffe teurer, Transport-, Strom- und Wasserpreise steigen, für Brot und andere Grundnahrungsmittel muss mehr bezahlt werden. Dies trifft vor allem die Mittelschicht und die arme Bevölkerung. Demonstrationen und Unruhen waren – und sind wie jetzt in Griechenland – die Folge. Andererseits sind in der Tat die Alternativen zu den Sparmaßnahmen rar, wenn die Haushalte saniert, die Schulden reduziert und die jeweiligen Staaten wieder kreditwürdig werden sollen.

Hat der IWF die Finanzkrise vorhergesehen und vor Turbulenzen gewarnt?

Nein. Das sagen nicht nur Kritiker, das hat auch ein vom IWF selbst in Auftrag gegebener Bericht Anfang des Jahres festgestellt. Es habe, so heißt es dort, 2007 auch aus der IWF-Zentrale keinerlei Warnungen vor den Risiken und den Gefahren aus dem Treiben von Banken und Spekulanten an den Finanzmärkten gegeben.

Wie hat der Fonds auf die Krise reagiert?

Dominique Strauss-Kahn, der im Oktober 2007 als geschäftsführender Direktor an die Spitze des Fonds gerückt war, verordnete einen strikten Spar- und Effizienzkurs mit dem Abbau von mehreren hundert Arbeitsplätzen. Er machte sich aber während seiner Amtszeit auch für eine stärkere Vertretung der aufstrebenden Schwellenländer stark, zumal sie mit den Ursachen der Finanzkrise nichts zu tun hatten. Allgemein wurde der 62-jährige Franzose für die Führung des Fonds ausdrücklich gelobt – im Gegensatz zu seinen beiden glück- und eher farblosen Vorgängern, Ex-Bundespräsident Horst Köhler und den Spanier Rodrigo de Rato. Auch Strauss-Kahn sei es zu verdanken, dass der IWF wie „Phönix aus der Asche“ auferstanden sei.

Wie ist aktuell die Machtverteilung im IWF?

Der Direktor ist zwar eine mächtige Person, weil er das Bild des Internationalen Währungsfonds nach außen prägt und wichtige Verhandlungen maßgeblich beeinflusst. Das entscheidende Gremium ist neben dem Exekutivrat aber der Internationale Währungs- und Finanzausschuss IMFC. Zwar wurden etlichen Schwellenländern mittlerweile höhere Stimmrechte eingeräumt. Das Sagen haben aber weiter die reichen Industriestaaten, weil sie auch das meiste Kapital geben. Mit ihrem Anteil von 16,8 Prozent könnten die USA allein jede wichtige Entscheidung – dafür sind 85 Prozent Zustimmung nötig - blockieren. Europa hält 20, Deutschland allein 5,8 Prozent.

Welche Rolle spielt der IWF in der Schuldenkrise der Euro-Staaten?

Ohne den IWF geht bei den Rettungsprogrammen mittlerweile nichts mehr, auch wenn die Europäer zunächst wenig begeistert waren von der Einbindung des Fonds. Das liegt nicht nur am Geld, sondern auch an der Expertise des IWF, die Europa, wie etwa Jürgen Stark, Chef-Volkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) offen einräumt, nicht hat. Insgesamt stellt der IWF für Griechenland, Portugal und Irland 111 Milliarden Dollar oder rund 78,5 Milliarden Euro bereit. Allein Griechenland mit einem Volumen von 42 Milliarden Dollar toppt die bislang größten Hilfsprogramme des IWF für Brasilien (im Jahr 2002 waren das 37 Milliarden Dollar) und Argentinien (22 Milliarden Dollar im Jahr 2000).

Zu den übrigen großen Kredit-„Kunden“ zählen derzeit Rumänien, die Ukraine, Ungarn, Pakistan, die Türkei, Weißrussland, Serbien und Sri Lanka.

Hat die Affäre Strauss-Kahn der Institution geschadet?

Allenfalls kurzfristig. Der IWF war jederzeit handlungsfähig. Außerdem hat der Franzose durch seinen schnellen Rücktritt Druck vom Fonds genommen. Diese Absicht hatte er ja auch in seinem Rücktrittsschreiben bekundet.

Wie stehen die Chancen für die französische Finanzministerin Christine Lagarde als Nachfolgerin ihres Landsmannes?

Mittlerweile offenbar gut. Die Europäer stehen hinter hier, offensichtlich wird sie auch von den Amerikanern unterstützt. Und selbst aus Schwellenländern gibt es Zustimmung. Ohnehin kennt die Französin den Fonds gut, sie sitzt für Frankreich im 24-köpfigen IWF-Exekutivrat. Noch im Juni will der Fonds über den neuen Chef entscheiden. Die Bundesregierung hat sich mangels eigener Kandidaten hinter die Französin gestellt. Mögliche Optionen wären Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber oder Ex-Finanzminister Peer Steinbrück gewesen. Letzterer hat abgewinkt. Weber ist für die Bundesregierung kein Thema mehr, weil er den Job des Bundesbank- und damit auch den des EZB-Präsidenten hat sausen lassen.

Warum kommt der IWF-Chef nicht aus einem Schwellenland?

Nach wie vor gilt die stillschweigende Vereinbarung zwischen den USA und Europa, dass die Weltbank von einem US-Amerikaner (derzeit Robert Zoellick) und der IWF von einem Europäer geleitet werden. Freilich haben beide Seiten zugesagt, dass sich das ändern soll. Es sei allgemein akzeptiert, dass die informelle Absprache zwischen den USA und Europa zu verschwinden habe, hatte Strauss-Kahn auf der IWF-Jahrestagung im Oktober 2010 gesagt. Seine Sympathie für die Ansprüche der Schwellenländer war unüberhörbar. Doch gerade wegen der Krise in Europa bedarf es nach Ansicht der Europäer wieder eines Mannes oder einer Frau aus ihren Reihen. Die USA haben nichts dagegen, weil sich damit auch bei der Weltbank nichts ändert. Im nächsten Jahr läuft dort Zoellicks Amtszeit ab.

Wie steht es um das Verhältnis zwischen IWF und Weltbank?

Auch dank Zoellick und Strauss-Kahn kommen die beiden Institutionen wieder gut miteinander zurecht. Dies ist wichtig, weil der Fonds bei Zahlungsbilanz-Problemen auch Entwicklungsländern hilft, um die sich im Blick auf die Armutsbekämpfung vor allem die Weltbank kümmert. Die Wege zwischen beiden Schwesterorganisationen sind ohnehin kurz. Sie residieren beide an der 19. Straße im Herzen der US-Hauptstadt.

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