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Wirtschaft: Vivendi-Chef Jean-Marie Messier über den Aktienkurs, gesundes Wachstum und die Zukunft seines Konglomerats (Interview)

Kein Unternehmensführer mag einen schlechten Aktienkurs. Erst recht nicht, wenn er sich daran gewöhnt hat, dass der Kurs ständig steigt.

Kein Unternehmensführer mag einen schlechten Aktienkurs. Erst recht nicht, wenn er sich daran gewöhnt hat, dass der Kurs ständig steigt. An das unerfreuliche Urteil der Börse muss sich Jean-Marie Messier, 42, gewöhnen. Die Finanzmärkte hatten den Vorstandsvorsitzenden des französischen Konglomerats Vivendi, einer der größten Mischkonzerne in Euroland, Jahre lang verwöhnt. Seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren verdreifachte sich der Kurs nahezu. Im Aktien-Index Euro Stoxx 50 entwickelten sich nur die Aktie des Mobiltelefon-Herstellers Nokia und des Mischkonzerns Mannesmann besser.

Aber im Vergleich zum Jahresanfang hat der Kurs nicht zugelegt. Zugleich schwankte er erheblich. "Das Ausmaß der Kursschwankungen überrascht, aber macht uns keine Angst", sagt Messier im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Nach dem Kursanstieg über eine so lange Zeit betrachtet der Konzernlenker die vergangenen Monate als Konsolidierungsphase. Merkwürdig ist Messier vorgekommen, dass es ausgerechnet in der vergangenen Woche einen Kursverlust von acht Prozent gab, als Vivendi "sehr gute Ergebnisse" bekannt gab. Offenbar erwartete die Börse Veränderungen, die aber nicht kamen. Messier betont immer wieder, wie langfristig er denke. "Wir sind bereit zu strategischen Veränderungen, aber nicht zu jedem Preis oder jeder Bedingung. Und wir können warten, sogar Jahre lang."

J2M, wie er vor allem in Frankreich genannt wird, beabsichtigt, seine Strategie fortzusetzen. "Wir werden uns weiter auf die zwei Felder Umweltdienstleistungen und Kommunikation konzentrieren." Zum Kommunikationsgeschäft, das etwa ein Sechstel des Umsatzes von mehr als 60 Milliarden Mark beiträgt, zählen Beteiligungen in Telekommunikation und Medien. Zu den Umweltdienstleistungen zählen die Bereiche Energieversorgung, Abfallentsorgung, Transport und Wasser - demnächst auch ein Anteil an den künftig teilprivatisierten Berliner Wasser-Betrieben. Aber den Branchenbegriff Versorger mag Messier nicht. "Das Geschäft von Vivendi ist nicht Versorgung, sondern Umweltdienstleistung." Womöglich klingt das für die Zukunft erfolgversprechender, so wie der neue Name Vivendi, den das Unternehmen seit drei Jahren trägt.

Nur: Welche Zukunft hat Vivendi als Konglomerat? Lehren die Management-Gurus derzeit nicht, Großkonzerne sollten defusionieren - also Geschäftsbereiche abstoßen, um kleiner und wettbewerbsfähiger zu werden? Um den Wert für die Aktionäre, das so genannte Shareholder-Value - und damit den Aktienkurs zu steigern?

Messier ist skeptisch. "Ich glaube nicht, dass Unternehmen, die sich zu einer Defusions-Strategie entschieden haben, viel Wert für ihre Aktionäre geschaffen haben." Aber was ist der Sinn von einem Konzern, in dem es so unterschiedliche Aktivitäten unter einem Dach gibt? "Suchen Sie nicht nach Einspar-Effekten von Tag zu Tag zwischen Fernsehen und Wasserversorgung", warnt der Vivendi-Boss. Beide Segmente sind ihm zufolge auch alleine stark genug. Schließlich wachsen sie laut Messier jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich.

"Meine Aufgabe besteht darin zu gewährleisten, dass wir uns auf die Bereiche konzentrieren, die wir wirklich gut beherrschen", sagt Messier. Bei Vivendi frage man sich jeden Tag, ob ein Geschäftsfeld wirklich zum Kerngeschäft gehöre. Tatsächlich hat Messier in den Jahren seiner Amtszeit viele Beteiligungen abgestoßen - und zugleich viele neue erworben. Bleibt die Frage, "ob wir die finanziellen Mittel haben, beide Felder zu entwickeln - Umweltdienstleistungen und Kommunikation." Die Börsianer beobachten das aggressive Wachstum offenbar immer skeptischer. Die Schulden betragen inzwischen rund 30 Milliarden Mark. Damit sind sie größer als das Eigenkapital. Doch Messier verweist auf das Verhältnis zwischen Schulden und Börsenkapitalisierung. Das habe noch vor drei Jahren bei mehr als 50 Prozent gelegen. Jetzt betrage es weniger als 25 Prozent. Vivendi sei gewachsen, aber gesund.

"Ich muss auf die Botschaft der Börse hören", räumt der Manager ein. "Aber ich muss eine langfristige Strategie verfolgen." Die darf nicht so schwanken wie der Aktienkurs.

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